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Die Bekenntnisse der Sullivan-Schwestern

Die Bekenntnisse der Sullivan-Schwestern

Titel: Die Bekenntnisse der Sullivan-Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natalie Standiford
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meinen Blutkreislauf. Ich fühlte mich extrem unwohl. Seit diesem Tag verspüre ich, wenn Jesus erwähnt wird, immer dieses komische Unbehagen. Es fühlt sich an, als müsse ich mich räuspern. Das ist ein großes Handicap, wenn man auf eine katholische Schule geht, denn die quatschen dort ständig über Jesus, vor allem im Religionsunterricht.
    Letztes Jahr hatte ich Schwester Apollonia in Religion. (Kennst Du Dich noch mit den Heiligen aus, Almighty? Der heiligen Apollonia, der Schutzheiligen der Zahnärzte, wurden sämtliche Zähne ausgeschlagen, als sie sich weigerte, dem christlichen Glauben abzuschwören.) Schwester Apollonia trägt zu Ehren ihrer Schutzheiligen einen kleinen Goldzahn an einer Halskette. Sie ist eine liebe, immer lächelnde Nonne, deren Religiosität sich vor allem auf Jesus’ Liebe zu kleinen Kindern konzentriert. Sie glaubt auch an das Verteilen von Süßigkeiten während des Unterrichts. Vielleicht ist das ihre Art, die örtlichen Zahnärzte zu unterstützen. Sie und ich kamen prima miteinander aus.
    Dieses Jahr habe ich bei Schwester Mary Joseph Religionsunterricht. Ich wusste von der ersten Sekunde an, dass sie meine Erzfeindin werden würde. Ihre Miene ist steinern und sie mustert einen ständig mit fiesen Seitenblicken; Clint Eastwood mit Nonnenschleier. Sie hatte garantiert von Anfang an beschlossen, dass ich nichts als Ärger machen würde.
    Wir begannen das Schuljahr damit, dass wir uns mit dem Leben der Heiligen beschäftigten. »Die Heiligen lehren uns vieles über Gott«, erklärte uns Schwester Mary Joseph. »Ihre Leiden zeigen uns, wonach wir streben sollen. Jede Generation hat ihre eigenen Heiligen und ihre eigene Botschaft von Gott. Ja, Mary Pat?«
    »Warum bringt Gott so viele seiner Heiligen um?«
    »Er bringt sie nicht um, er macht sie zu Märtyrern, damit wir ihnen Aufmerksamkeit schenken«, antwortete Schwester M-J.
    Dann erklärte sie uns, dass wir bis Ende des Monats die Namen von hundert Heiligen auswendig lernen mussten und was sie symbolisieren. Ich finde das ganze Heiligengedöns eigentlich ziemlich lustig, denn im Grunde geht es um Zauberei. Am liebsten lerne ich, zu welchen Heiligen ich in welcher Situation beten muss, vom heiligen Matthäus (dem Schutzheiligen der Steuerberater, Buchhalter und Wachmänner) bis zur heiligen Germaine Cousin (hässliche Leute).
    Eine richtig Abgefahrene ist die heilige Wilgefortis. Da sie den König Siziliens nicht heiraten wollte, flehte sie Gott an, ihre Jungfräulichkeit behalten zu dürfen. Schwuppdiwupp, am nächsten Morgen erwachte sie mit Bart und Schnauzer. Jungfräulichkeit gerettet. Sie ist die Schutzheilige unglücklicher Ehefrauen, die ihre Männer loswerden wollen.
    Ich habe so ein Gefühl, dass Schwester Mary Joseph, sollte sie je in die Gefahr kommen zu heiraten, zur heiligen Wilgefortis beten würde. Aber der Clint-Blick macht jeden Bedarf an Wundern überflüssig.
    Meine Schutzheilige ist die heilige Johanna von Orléans, zum einen, weil wir denselben Namen haben (zumindest annähernd), vor allem aber, weil sie die Schutzheilige derjenigen ist, die sich gegen Autorität auflehnen. Sie wurde von der Kirche wegen ihrer Ketzerei hingerichtet. Bei der Wiederaufnahme des Prozesses befand man sie für unschuldig, aber das kam fünfundzwanzig Jahre zu spät. Zu diesem Zeitpunkt war sie schon toter als tot und konnte keinen Ärger mehr machen.
    »Die heutige Aufgabe besteht aus zwei Teilen«, verkündete Schwester Mary Joseph. »Zuerst – wählt ihr euren Schutzheiligen. Es muss nicht der Heilige sein, dessen Namen ihr tragt, sondern der, den ihr am meisten bewundert. Schreibt eine Seite, warum ihr diesen Heiligen bewundert, und zeichnet eine Ikone von ihm oder ihr, ebenso seine Symbole. Teil zwei: Wer sind unsere Heiligen im einundzwanzigsten Jahrhundert? Überlegt euch jemanden aus den letzten fünfzig Jahren, den ihr bewundert und der eurer Meinung nach heiliggesprochen werden sollte. Zählt auf einer Seite die Gründe dafür auf und zeichnet ein Bild von ihm oder ihr. Diese Aufgabe ist nächste Woche abzugeben. Noch Fragen?«
    Ich hob die Hand.
    »Ja, Jane?«
    »Unterlaufen der Kirche jemals Fehler? Also, was ich sagen will, kann sich der Papst täuschen?«
    Laserseitenblick. »Was hat das mit dem Leben der Heiligen zu tun?«
    »Na ja, wenn Johanna von Orléans eine Heilige war, warum hat die Kirche sie wegen Ketzerei verbrannt?«, bohrte ich weiter. »Eine Truppe Priester und Bischöfe behaupteten, sie hätte die

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