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Die Bekenntnisse der Sullivan-Schwestern

Die Bekenntnisse der Sullivan-Schwestern

Titel: Die Bekenntnisse der Sullivan-Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natalie Standiford
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ich mich wie eine Comicfigur unverletzt von Autos abprallen, eine Art unzerstörbare Gummisuperheldin. Mein Körper prallte vom Boden ab und von Kühlerhauben und Windschutzscheiben und Stoßstangen, als wäre er ein Radiergummi, der vom Schreibtisch fällt.
    Am nächsten Tag erzählte ich es Norrie und Jane.
    »Sassy, denk nicht so was«, mahnte Norrie. »Du bist nicht unzerstörbar. Du musst besser aufpassen.«
    »Was ich wirklich wissen möchte«, mischte sich Jane ein. »Warum rennst du eigentlich ständig vor fahrende Autos?«
    »Aber was, wenn es wirklich so ist?«, fragte ich. »Was, wenn ich unsterblich bin?«
    Jane lachte ihr nervendes Schnaublachen. Sie kann so was von selbstgefällig sein. Bestimmt bildet sie sich ein, wenn jemand in der Familie unsterblich wäre, dann sie.
    Nun, da ich die Worte ausgesprochen hatte, bekam ich sie nicht mehr aus dem Kopf. Ich war unsterblich. Untötbar.
    Der Gedanke erschreckte mich. Aber ich konnte nicht widerstehen, doch ein Mal einen Jane-Spruch zu wagen.
    »Aus dem Weg«, befahl ich. »Ich muss mal eben dem Tod von der Schippe springen.«

Sieben
    »Ich hatte ein ›C‹ im letzten Mathetest«, verkündete Cassandra in der darauffolgenden Woche. »Nicht dass du irgendwas damit zu tun hast. Dachte bloß, es interessiert dich vielleicht.«
    Sie wedelte mit einem Arbeitsblatt mit einem dicken roten »C« und einem »neutralen« Smiley vor meiner Nase herum – Ms Frazier hatte, statt eines Lächelns oder nach unten gezogener Mundwinkel, eine gerade Linie gezeichnet.
    »Cassandra, das ist ja super!«, rief ich. »Glückwunsch. Wie hast du das angestellt?«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Aber ein ›C‹ haut einen ja auch nicht gerade um.«
    »Es ist entschieden besser als ein ›F‹.«
    »Klar.«
    Ich schlug das Arbeitsheft auf und blätterte, ohne wirklich zu wissen, wonach ich suchte, die Seiten um. »Welche Lektion wollen wir uns heute vornehmen?«
    »Hier sind meine Hausaufgaben für morgen.« Sie gab mir ein Blatt voller Zahlen. Oh nein. Schon wieder Bruchrechnen.
    »Alles in Ordnung?«, erkundigte sich Cassandra.
    »Mit mir? Klar. Warum?«
    »Du hast einen großen lila Fleck auf dem Arm.«
    »Ach, das.« Der blaue Fleck auf meinem linken Unterarm war seit dem Autounfall letzte Woche größer geworden. Ich zupfte meinen Pulloverärmel darüber. »Ist nichts Dramatisches. Voll hässlich, aber nicht so schlimm, wie er aussieht.«
    »Er ist wirklich hässlich. Wie hast du dir den geholt? Hat dich jemand geschlagen?«
    »Ja«, sagte ich. »Mit seinem Auto.«
    »Du wurdest von einem Auto angefahren? Warum bist du nicht tot?«
    Ich zuckte die Achseln. »Keine Ahnung. Es hat mich nicht voll erwischt. Das ist mir schon mal passiert, und da wurde ich auch nicht verletzt.«
    »Wow. Du hast Schwein.«
    »Ich weiß.« Sollte ich es ihr erzählen? Sollte ich Cassandra von meiner Theorie erzählen? Ich war neugierig, was sie davon halten würde, auch wenn ich es tief im Innersten wusste. Sie würde denken, was alle anderen dachten: dass ich einen Knall hatte.
    Aber egal.
    »Es kommt mir vor, als könnte ich nicht verletzt werden. Oder getötet oder so was. Na ja, als wäre ich unsterblich.«
    Sie schob ihre rote Brille auf der Nase hoch, als wolle sie sichergehen, dass sie mich richtig sah, auch wenn ihre Ohren das Problem waren, nicht ihre Augen.
    »Wiederhol das mal.«
    »Ich denke, mir ist etwas widerfahren – es ist eine lange Geschichte –, das mich unsterblich gemacht hat.«
    »Was ist dir widerfahren? Hat dich ein Vampir gebissen?«
    »Nein. Aber ich werde ständig von Autos angefahren und pralle einfach ab. So nach dem Motto ›Nichts passiert, alles gut‹.«
    Sie runzelte die Stirn. »Das glaub ich dir nicht.«
    »Vielleicht bin ich nicht unsterblich, keine Ahnung. Ich sage bloß, es ist komisch, mehr nicht.«
    »Du hast Recht, es ist komisch. Auch unheimlich. Und ich glaube es nicht. Meine Mutter hat mir erklärt, dass jeder irgendwann stirbt. Mein Granddad ist letztes Jahr gestorben. Ich hab seine Leiche bei der Beerdigung gesehen. Er sah wie eine große, runzlige Puppe aus. Und als niemand hingesehen hat, hab ich seine Hand berührt.«
    »Wie fühlte es sich an?«
    »Irgendwie wächsern und kalt. Aber ich wusste, er war wirklich tot, denn das waren zwar sein Gesicht und seine Hände, aber man konnte sehen, dass er nicht mehr da war. Und damals hat mir meine Mutter gesagt, dass jeder sterben muss. Vielleicht erst, wenn man richtig alt ist wie

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