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Die Bekenntnisse der Sullivan-Schwestern

Die Bekenntnisse der Sullivan-Schwestern

Titel: Die Bekenntnisse der Sullivan-Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natalie Standiford
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waren seine älteren Brüder, als er sie brauchte?«
    »Die saßen auf der Couch und haben ihn ausgelacht«, erklärte ich.
    Wallace gluckste vor sich hin. »Ja, ja, eure Grandma hat wirklich guten Grund, sich jede Woche mit euch Mädchen zusammenzusetzen und mit euch zu reden. Sie bereitet euch darauf vor, euren Platz in der Welt einzunehmen. Sie ist eine einflussreiche Frau und eines Tages wirst du das auch sein.«
    »Nur weil ich ihre Enkeltochter bin?«
    »Nein, ich denke, du wirst auf deine eigene Art einflussreich sein. Aber ihre Enkelin zu sein schadet nicht. Hilfst du mir, diesen Gartenschlauch wegzuräumen?«
    Wir trugen den Schlauch in den Schuppen und verstauten ihn unter dem Arbeitstisch. »Gibt es denn irgendwas Neues? Bekommst du nicht dieses Jahr deinen Führerschein?«
    »Im Februar. Den vorläufigen habe ich schon.«
    »Das ist schön. Du brauchst jemanden, der mit dir Fahren übt. Ich würde das gern übernehmen.«
    »Danke. Alle anderen haben nie Zeit.«
    »Kann ich mir denken. Und was machst du sonst so?«
    »Na ja, ich habe angefangen, Nachhilfe zu geben, in diesem Zentrum in der Innenstadt«, erzählte ich ihm. »Sie haben mich einer Fünftklässlerin zugeteilt. Das Problem ist nur, sie wollen, dass ich ihr in Mathe helfe.«
    »Nicht gerade deine Stärke, oder? Bleib einfach dran. Vielleicht verstehst du Mathe besser, wenn du es jemandem beibringen musst.«
    »Ja, wer weiß«, sagte ich.
    Bist Du je im Gartenschuppen gewesen? Wallace und Raul haben fast ein richtiges Clubhaus daraus gemacht. Raul hat Bilder seiner Familie an die Wand gehängt und Wallace hat mit Reißzwecken ein Bild eines Rennwagens und ein altes Foto von Dir aus Deinen Debütantinnentagen angetackert. Wenn Raul es nicht abgenommen hat, hängt es bestimmt immer noch dort.
    Ich hörte jemanden meinen Namen rufen. Jane stand auf der Terrasse und brüllte: »Sassy! Die Ferien sind vorbei! Zeit, dass du wieder in deine Gefängniszelle kommst!«
    »Offensichtlich ist deine Anwesenheit beim Teetrinken erwünscht«, stellte Wallace fest. »Danke für den Tee, mein Sassafras-Bäumchen.«
    »Gern geschehen.«
    Er machte wieder diesen Zwei-Finger-Gruß, und ich erwiderte ihn, bevor ich zum Haus zurücklief.
    »Ich hoffe, Wallace hat dich mit seinen Pflanzengesprächen nicht zu sehr gelangweilt«, sagtest Du, als ich in die Bibliothek kam und mich wieder an den Tisch setzte.
    »Er langweilt mich nie«, erwiderte ich.
    »Du bist eine Heilige«, sagtest Du.
    Keine Angst, Almighty, ich weiß, dass Du ihn geliebt hast. Er wusste es auch.

Fünf
    Am ersten Montag im Oktober beschloss ich, mit dem Bus zur Nachhilfe in die Stadt zu fahren. Ich machte mich auf einen Proteststurm gefasst, aber ich habe festgestellt: Wenn man keinem sagt, was man vorhat, kann es einem auch niemand verbieten. Miss Maura glaubte, Norrie würde mich hinfahren. Norrie erzählte ich, ich könne mit Lula und ihrer Mutter fahren, woraufhin Norrie meinte »Super« und keinen Gedanken mehr an mich verschwendete. Ginger und Daddy-o haben sowieso kaum Ahnung, was ich den ganzen Tag treibe, und solange jeden Abend ein atmender Körper in meinem Bett liegt, machen sie sich auch weiter keinen Kopf.
    Ich lief zur Haltestelle an der Charles Street und wartete. Als der Bus kam, setzte ich mich nach ganz hinten und betrachtete die Gebäude, die ich schon mein ganzes Leben lang kenne, aus einer neuen Perspektive. Vom Bus aus wirkt alles anders. Es ist, als sähe man einen Film, der in der Nachbarschaft gedreht wurde; man erkennt zwar die Häuser, aber irgendwie sehen sie anders aus.
    Der Bus brauchte länger zur Fayette Street, als ich angenommen hatte. Cassandra wartete schon in unserer Nische auf mich. In der Nachbarkabine arbeitete ein anderer Nachhilfelehrer mit seinem Schüler.
    »Hallo. Hat Ms Frazier in letzter Zeit irgendwelche Körperteile nach dir geworfen?«
    Sie lachte nicht. »Setz dich einfach hin und hilf mir.« Sie ließ ein Arbeitsheft auf den Tisch fallen, in dem ein paar zerknitterte Hausaufgabenblätter steckten. »Ich muss diese Aufgaben heute Abend lösen, denn morgen schreiben wir eine Arbeit. Meine Mutter hat gesagt, wenn ich dieses Jahr nicht wenigstens ein ›C‹ kriege, schickt sie mich zu einem Sommerkurs.«
    »Das wäre wirklich ätzend.« Ich schlug das Arbeitsheft auf und schaute mir die Aufgaben an. Schriftliche Division mit Angabe des Rechenwegs. Ich weiß, wie das geht. Es kommt nicht immer das richtige Ergebnis heraus, aber das Grundprinzip habe

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