Die Belagerung der Welt - Romanjahre
wird). Ich bin verunsichert.
Auch auf der StraÃe. Es kommt wohl daher, daà ich mich spontan mit der Jugend (dem jugendlichen Helden) messe und dabei feststelle, daà ich da nicht Schritt halten kann. Ich bin ja älter, feister, eben mittelältlich im Vergleich zu ihnen. Ich gehöre in den Kleidergeschäften zu einer »gehobenen« Konsumentenschicht. In solchen Geschäften fühle ich mich geradezu an den Rand gedrängt, weil die feilgebotene (und Beat-umsäuselte) Ware nicht für Staturen meiner Generation vorgesehen ist. Ich müÃte also mein Bild von mir selbst revidieren. Denn bis vor kurzem noch sah ich mich offenbar als den »jugendlichen« Eroberer an, der â nichtetabliert â herumstreunt, auf Mädchen aus ist, auf Eroberung, Welteroberung ganz allgemein. Aber jetzt steht eine Eroberer-Generation auf dem Plan, die mich durch ihr augenfälliges Jüngersein distanziert, wenn nicht isoliert. Es fällt mir auf, daà auf der StraÃe die Jungen dominieren, die Ãlteren nimmt man merkwürdigerweise nicht mehr recht
wahr; auf dem Markt des Lebens spielen sie keine Rolle. Nicht auf der lebenshungrigen Szene des Jahrmarkts der Eitelkeiten. Noch bis vor kurzem habe ich mich indessen ganz selbstverständlich so benommen, als gehöre mir dieser Markt â so wie früher.
Ich weià plötzlich auch nicht mehr recht, was mir gehört und zukommt und was nicht. Die Altersgrenze um 40 ist offensichtlich eine problematische Schwelle. Man müÃte da schon im Räderwerk der Macht und der Besitzenden integriert sein und kein AuÃenseiter. Man müÃte mit Kaufkraft und Ansehen wettmachen, was die biologischen Umstände von selbst nicht mehr vermögen oder an »Versprechen« zu bieten haben.
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Vater kam so schön daher, so lebens- und unternehmungslustig â einen Faden aus dem fernen RuÃland hier zu knüpfen. Und endete so still im Haus.
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Die Leute stehen so verheiÃungsvoll und geheimnisvoll auf den Namensschildern der Briefkästen.
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Eigentlich könnte ich mich ganz anders fühlen, denke ich, wenn ich nachts mit oder ohne Hund, mit oder ohne Auto-Dislozier-Pflicht durch die ganze Feierabendlichkeit oder Vergnügungssucht meiner AltstadtstraÃen stapfe. Ich meine: weniger aggressiv gegenüber Vergnügungstrotteln, die jetzt »frei« haben; also auch weniger geplagt, weniger geduckt. Weniger deplaziert oder verfemt.
Und ich stelle mir vor, wie ich mir (wäre ich ein anderer) von auÃen einen Schriftsteller meines Schlages denken und vorstellen würde: als eine souveräne und eigenartige Er
scheinung, der als ein »Freier« in seiner Stadt sein (bewuÃtes) Leben lebt. Statt dessen schleiche ich voller Neid und Bedrückung â jedenfalls häufig â, schleiche ich wie der einzige Unfreie, wie ein Paria durch die Gassen. Was im Nacken? Die Faust? Faust der wirtschaftlichen Pression? Warum ergehe ich mich nicht wie einer, der seine Arbeit tut, aber auch sein Leben lebt?
MiÃverhältnis.
Ich gehöre eben nicht zu jenen, die vor sich hin produzieren können. Ich muà mit aller Müh und Plag mir mein Schreiben erstehlen, habe nie Zeit, komme nie frei, bin nie frei ⦠Finde mich in einem miesen und schiefen Verhältnis zur Ãffentlichkeit.
Kein richtiges Privatleben und kein freies Berufsleben oder: keine freie Bahn für mein Berufsleben. Immer noch nicht richtig ausgeschlüpft. Oder ins Freie gelangt mit meinem geschriebenen Leben und Wort.
Ja, wenn ich in London oder auch nur im schönen Häuschen auf dem Pfannenstiel bin, als tagsüber schreibender Schriftsteller, der in seiner Arbeit und seinen Arbeitsgedanken aufgeht, dann habe ich gleich ein ganz anderes Lebensgefühl.
Ja, wenn ich wirklich als Schriftsteller leben kann zwischendurch, dann sind die StraÃen gleich viel abenteuerlicher. Aber so, wenn die ganze schriftstellerische Arbeit unbezahlt und der Autor zudem durch die UngewiÃheit des Ausgangs und das Erscheinen des Buches etc. verunsichert ist, so daà ihm sein ganzes Unternehmen vorkommen will wie etwas Halberlaubtes, Unwichtiges, Prestigeloses â dann hat das natürlich seine Rückwirkung aufs Lebensgefühl: Man sieht sich wie einen Heimlichtuer und Schreibknecht. Man sollte ja dies und jenes unternehmen, um an Geld zu kommen. Man geht ganz nackt herum mit seiner
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