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Die Belagerung der Welt - Romanjahre

Die Belagerung der Welt - Romanjahre

Titel: Die Belagerung der Welt - Romanjahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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wird). Ich bin verunsichert.
    Auch auf der Straße. Es kommt wohl daher, daß ich mich spontan mit der Jugend (dem jugendlichen Helden) messe und dabei feststelle, daß ich da nicht Schritt halten kann. Ich bin ja älter, feister, eben mittelältlich im Vergleich zu ihnen. Ich gehöre in den Kleidergeschäften zu einer »gehobenen« Konsumentenschicht. In solchen Geschäften fühle ich mich geradezu an den Rand gedrängt, weil die feilgebotene (und Beat-umsäuselte) Ware nicht für Staturen meiner Generation vorgesehen ist. Ich müßte also mein Bild von mir selbst revidieren. Denn bis vor kurzem noch sah ich mich offenbar als den »jugendlichen« Eroberer an, der – nichtetabliert – herumstreunt, auf Mädchen aus ist, auf Eroberung, Welteroberung ganz allgemein. Aber jetzt steht eine Eroberer-Generation auf dem Plan, die mich durch ihr augenfälliges Jüngersein distanziert, wenn nicht isoliert. Es fällt mir auf, daß auf der Straße die Jungen dominieren, die Älteren nimmt man merkwürdigerweise nicht mehr recht
wahr; auf dem Markt des Lebens spielen sie keine Rolle. Nicht auf der lebenshungrigen Szene des Jahrmarkts der Eitelkeiten. Noch bis vor kurzem habe ich mich indessen ganz selbstverständlich so benommen, als gehöre mir dieser Markt – so wie früher.
    Ich weiß plötzlich auch nicht mehr recht, was mir gehört und zukommt und was nicht. Die Altersgrenze um 40 ist offensichtlich eine problematische Schwelle. Man müßte da schon im Räderwerk der Macht und der Besitzenden integriert sein und kein Außenseiter. Man müßte mit Kaufkraft und Ansehen wettmachen, was die biologischen Umstände von selbst nicht mehr vermögen oder an »Versprechen« zu bieten haben.
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    Vater kam so schön daher, so lebens- und unternehmungslustig – einen Faden aus dem fernen Rußland hier zu knüpfen. Und endete so still im Haus.
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    Die Leute stehen so verheißungsvoll und geheimnisvoll auf den Namensschildern der Briefkästen.
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    Eigentlich könnte ich mich ganz anders fühlen, denke ich, wenn ich nachts mit oder ohne Hund, mit oder ohne Auto-Dislozier-Pflicht durch die ganze Feierabendlichkeit oder Vergnügungssucht meiner Altstadtstraßen stapfe. Ich meine: weniger aggressiv gegenüber Vergnügungstrotteln, die jetzt »frei« haben; also auch weniger geplagt, weniger geduckt. Weniger deplaziert oder verfemt.
    Und ich stelle mir vor, wie ich mir (wäre ich ein anderer) von außen einen Schriftsteller meines Schlages denken und vorstellen würde: als eine souveräne und eigenartige Er
scheinung, der als ein »Freier« in seiner Stadt sein (bewußtes) Leben lebt. Statt dessen schleiche ich voller Neid und Bedrückung – jedenfalls häufig –, schleiche ich wie der einzige Unfreie, wie ein Paria durch die Gassen. Was im Nacken? Die Faust? Faust der wirtschaftlichen Pression? Warum ergehe ich mich nicht wie einer, der seine Arbeit tut, aber auch sein Leben lebt?
    Mißverhältnis.
    Ich gehöre eben nicht zu jenen, die vor sich hin produzieren können. Ich muß mit aller Müh und Plag mir mein Schreiben erstehlen, habe nie Zeit, komme nie frei, bin nie frei … Finde mich in einem miesen und schiefen Verhältnis zur Öffentlichkeit.
    Kein richtiges Privatleben und kein freies Berufsleben oder: keine freie Bahn für mein Berufsleben. Immer noch nicht richtig ausgeschlüpft. Oder ins Freie gelangt mit meinem geschriebenen Leben und Wort.
    Ja, wenn ich in London oder auch nur im schönen Häuschen auf dem Pfannenstiel bin, als tagsüber schreibender Schriftsteller, der in seiner Arbeit und seinen Arbeitsgedanken aufgeht, dann habe ich gleich ein ganz anderes Lebensgefühl.
    Ja, wenn ich wirklich als Schriftsteller leben kann zwischendurch, dann sind die Straßen gleich viel abenteuerlicher. Aber so, wenn die ganze schriftstellerische Arbeit unbezahlt und der Autor zudem durch die Ungewißheit des Ausgangs und das Erscheinen des Buches etc. verunsichert ist, so daß ihm sein ganzes Unternehmen vorkommen will wie etwas Halberlaubtes, Unwichtiges, Prestigeloses – dann hat das natürlich seine Rückwirkung aufs Lebensgefühl: Man sieht sich wie einen Heimlichtuer und Schreibknecht. Man sollte ja dies und jenes unternehmen, um an Geld zu kommen. Man geht ganz nackt herum mit seiner

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