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Die Belagerung der Welt - Romanjahre

Die Belagerung der Welt - Romanjahre

Titel: Die Belagerung der Welt - Romanjahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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Schriftstellerei, dabei sollte sie im Rahmen einer gewissen Stabilität, Legitimität stattfinden dürfen.
    Man erhebt den Anspruch, ein ernstzunehmender Schriftsteller zu sein, ein Künstler eben (und nicht einer aus dem Haufen) …
    Und dabei ist man in den Augen des Steuerinspektors und hämischen Nachbarn, in den Augen des Zeitungsredakteurs, des Beamten, des Funktionärs nichts weiter als ein armes Würstchen – demoralisierend. Man kann gar nicht recht in den eigenen Umriß steigen.
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    Ich möchte das Große, Einmalige, Tiefe, Unvergleichliche, Reine – des Dichters . Und ich möchte die (Mailersche) Öffentlichkeitswirkung des resonanzreichen Opponenten.
    Und habe weder das eine noch das andere. Nur die Zwiespältigkeit und innere Zerrissenheit und Schwereinschätzbarkeit und Isolation.
    Und allen zugehörigen Haß. Und alle zugehörige Wut und Überheblichkeit …
    Basta.
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    Ein Kind der Zeit sein: Man müßte mit einer hundemäßigen Schnüffelneugierde seiner Zeit auf der Spur sein und bleiben, aber man muß auch gegen seine Zeit sein.
    Zeitmitläufer, Objekte der Maschinerie ihrer Zeit sind beispielsweise all die Jugendlichen der Beat-, Popgeneration, diese drogensüchtigen Gespenster und Teilnehmer des permanenten Maskentreibens, Demonstrations-Rauschsüchtigen. Sie sind Zeit-Geister, materialisierte. Sie drücken vielerlei aus, was unsere Zeit ausmacht, weil sie ganz unmittelbar von ihr betroffen scheinen. Sie sind Medien. Sie interpretieren ihre Zeit.
    Ein Zeitgenosse aber wird einer, der bereit ist, die eigene Zeit zu überwinden.
    Die meisten schöpferischen Zeitgenossen haben von weit hinten (in der Geschichte) Anlauf genommen, um die eigene Zeit zu verändern. Ein van Gogh hat – während alle Welt pleinairistisch hell daherpinselte, phototrunken – bei Rembrandt und Delacroix und den Primitiven angesetzt, finster von tiefem Herkommen, und stieß ungeheuer ins Neue vor.
    Ein schöpferischer Zeitgenosse ist durch seine Zeit aufgestört, weil er sie im wesentlichen inakzeptabel findet. Aber seine Maßstäbe hat er von einem Herkommen oder von einer eingeborenen reinen Vision. Ein Zeitgenosse, der diesen Namen verdient, ist jedenfalls nicht Teil des Zeitviehs, der modischen Herde und Masse.
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    Max Frisch beim Fest für Federspiels 40. Geburtstag:
    Wie er, der Erfolgreiche, uns Jüngeren, Erfolgloseren vorrechnet, wie hart er's doch in unserem Alter hatte: Veloklammern. Kein Auto. Kein talentsüchtiges Verlagswesen. Harte Zeiten. Grenzbesetzung. Eidleistung. Erschießungsandrohung seitens eines Hauptmanns mit Zivilberuf Abendtechnikumsbauzeichner. Keine literaturgünstige Situation mithin. Jüdische Verlobte, die er an die deutsche Grenze begleitet; ihr wird der Paß abgenommen, ihm unaufgefordert ein Arierausweis zugestellt. Er hat's schwer gehabt, oh ja, er hat zwar auch Glück gehabt, zum Beispiel mit der Marktlücke im Literaturwesen des Jahres Null, mit dieser verhältnismäßigen Konkurrenzlosigkeit, aber in seinen Augen hatte er's viel schwerer als irgendwer von unsereins. Ressentiments werden ihm vorgehalten, doch, klar, ja. Mir wirft er in drohendem Anspielungston das »enfant gâté« vor, rechnet mir vor, was andere und er mir »zahlten«, die Caritas; er möchte mir immer gern politische Gesinnung bestreiten, solche hat er (gepachtet), ich bin oder habe zu sein: ein Poetenjüng
ling? Ein ewiger Frischling? Jedenfalls möchte er mich gern in eine ungefährliche Romantikerzelle, was weiß ich, sperren. Spricht davon, daß von einem gewissen Alter an (großzügig nennt er 45 als Grenze) die eigenen Bücher Bestand aufweisen müssen, bleiben müssen, »damit nicht immer alle Brücken, Stege, die man sich nach vorn baut, abbröckeln« (so ein sehr bezeichnender Traum von ihm); dabei meint er offensichtlich, er habe es geschafft, mit seinen Werken »zu bleiben«. Es war ein satanisches Festmahl, ganz im Unterschied zum demjenigen, das Frisch zu meinem eigenen 40. ausgerichtet hatte. Ich sehnte mich nach Canettis Gegenwart, wo man sich frei und glücklich und »bedeutungsvoll« vorkommt. Nicht nur das Jüngersein, auch die Erfolglosigkeit neidet uns der Mann. Sein Gesellschaftsspiel mit Rundfrage an die anwesenden Damen: »Welchen von den dreien (Steiner, Federspiel, ich)

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