Die Belagerung der Welt - Romanjahre
das Wichtige kondensiert oder kristallisiert, wo man äuÃerlich wie innerlich aus dem eigenen Gepäck lebt. Und natürlich das Arbeitsinstrument dabei. Was wegfällt, ist die Fron an einen Alltag, der mich aussaugt.
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Nachtrag zum elysischen Aspekt mancher StraÃen Londons:
Der ölig-weiÃe Anstrich der Häuser (der oft auch ins Elfenbein spielt) bewirkt eine Entmaterialisierung. Dieser Anstrich geht über alle tektonischen Elemente, über korinthische Kapitelle, Sockel, Säulen, ja selbst Geländer, mithin Eisen, und es ist diese »Ãltuchhaut«, diese Verfremdung, die zum Elysisch-Behaglichen beiträgt. Nun ist man ganz innen im StraÃenraum, der beidseitig wie mit sehr hellen Tapeten beschlagen ist. Man geht drauÃen in tapezierten Räumen, die das â übrigens gelbe â Licht der Laternen reflektieren. Ein biÃchen Kulissenwelt. Ein biÃchen aber auch Spitalwelt. Hospitalgänge. Wovor haben die Engländer Angst, daà sie auf diese Idee und Praxis kamen? Im Hospitalaspekt in Verbindung mit den zart reizenden Neonschriften und schönen schwarzen Lettern (auf Säulen etc.) kommt etwas kommod Pflegliches zur Wirkung. Ganz daheim. Die tausenderlei Läden und Shops und Bars sind dann nur wie Türen zu anderen Zimmern.
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Das Licht ist überaus wichtig für mich. Früher war ich beim Schwinden des Tageslichts manchmal richtiggehend verstört, das reichte bis zum Identitätsverlust. Dann habe ich mir die Nachtarbeit angewöhnt, die Nacht als Wohnung gewissermaÃen, als dunkle Höhle, als Leib. Natürlich arbei
tete ich in der »Einsamkeit des Langstreckenläufers«. Ich muÃte viel »Möblierung« seelischer und anderer Art aufbringen, viele Tricks. Nachts gehörte zu den Tricks das Sichhinlegen auf die Liseuse zwischendurch, als hätte man eine behagliche Abendlichkeit vor sich und nicht den einsamen Marsch. Es hat auch etwas von soldatischer Nachtwache, ein entsprechendes Triumphgefühl gehört dazu. Schön wurde es jeweils bei Tagesanbruch, im Morgengrauen, bei den ersten Vogelgeräuschen, den Vorhuten des Lichts, dem Aufsteigen des groÃen Sonnenballs über den Dächern. Man rià das Fenster auf, ging Zigaretten holen, aber jetzt als ein Nachtarbeiter unter den Frühschichtlern.
Aber ganz anders ist es natürlich bei Tageslicht. In den Lichtfluten kommen ganze Landschaften daher, VerheiÃungen von Lebensland, man badet in solcher Weltzufuhr.
Jetzt zum Beispiel strahlt die Februarsonne FrühlingsverheiÃung aus. Ãhnlich wie ich sie auch an einem Januarsonntag in Rom verspürte. Ich bin hinter der Piazza del Popolo in einem solchen Licht über eine krumme Tiberbrücke gegangen. Der schmale steinerne Steig, der über die träge Breite des Tibers sich buckelt. Im trüben Wasser oder darüber west Natur in Form von Dämpfen, von Insekten, von Lauten (in der Vorstellung). Und die Poren der steinernen Mauern scheinen sich zu öffnen â überall: auf der Brücke und drüben auf dem kleinen Plätzchen in Trastevere, wo allerlei Rastvolk zu bemerken ist. Der Sonntag ist dort ja nicht so sehr ein Lebens-Ausnahmezustand wie bei uns. Nichts Feierliches und Lebensfeindliches, bloà ein gern ergriffener freier Tag, zum Sichherumtreiben, Autoputzen, Lieben.
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MuskelriÃ, invalid, herumhumpeln in einer Wohnung, die nach Medikamenten und Umschlägen stinkt. Gefangener meines Arbeitszimmers. Termin zum Abliefern des Manu
skripts (1. April) nicht eingehalten. Terminverlängerung. Ich schaff's.
Frischs neues Tagebuch angelesen.
Dann kommt überraschend Canetti zu Besuch mit seiner schwangeren Hera (die er kürzlich geheiratet hat) und bringt Aufwind. Herrliche Gespräche über Dichter â Joseph Roth, Isaak Babel, Walter Benjamin. Als Canetti blutjung war und für einen Verlag arbeitete, hat er Babel in Berlin kennengelernt. Er erzählt von einer Runde sowjetischer Dichter in Berlin, die in einem Luxushotel von einem adligen Russen als Kellner bedient wurden und sich einen Spaà daraus machten, die bestellten Speisen mit dem Hinweis auf Verwechslung zurückzuweisen â um den WeiÃrussen zu demütigen. Und wie der kleine untersetzte, im Gesicht kugelige, kugeläugige Babel die beschämende Sache mit zorniger Autorität abstellte.
Und er erzählt von Joseph Roth in Paris, dem
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