Die Berghuette
fühlte sich sichtbar wohl in männlicher Gesellschaft – ein Vergnügen, das er im letzten Jahr kaum gehabt hatte. Und natürlich war sie erleichtert, dass die beiden offenbar gut miteinander klar kamen.
Bei Alois auf dem Hof verschwand Tobias sofort im Stall, um sich die Kühe anzuschauen. Alois führte die Erwachsenen in seine Scheune, um ihnen seine neuste Erwerbung, eine halbautomatische Sägemaschine, zu zeigen. Die drei Männer waren sofort in ein technisches Fachgespräch vertieft und schienen die Anwesenheit von Caro und Anja vergessen zu haben. Da hakte sich Anja bei Caro unter und lachte. „Ist das nicht ein herrliches Bild? Alle drei haben genau die gleiche Haltung, leicht nach vorne gebeugt über diese komische Maschine, und jeder hat eine Hand auf dem Rücken. Wie Drillinge! Oh Gott, Caro, soviel geballte Männlichkeit halte ich nicht aus. Lass uns nach draußen gehen!“
Caro ließ sich gerne nach draußen führen, denn auch sie konnte einer lärmenden Sägemaschine nichts abgewinnen. Also gingen sie kurz in den Kuhstall zu Tobias und dann setzten sie sich auf eine Bank neben der Haustür und genossen die Abendsonne.
„Weißt du eigentlich, was die Männer dort in der Scheune außer ihrem kindlichen Interesse für Maschinen noch gemeinsam haben?“, sagte Anja ganz spontan. „Sie triefen alle drei vor Testosteron und Dominanz. Und drei von dieser Sorte auf einmal ist ein bisschen viel, finde ich. Da werden wir beide gut zusammenhalten müssen, meinst du nicht auch?“
Caro musste ihr Recht geben. Es war zu offensichtlich, dass alle drei vom gleichen Schlag waren. „Aber bei Felix ist es am stärksten ausgeprägt“, antwortete sie lachend. „Erzähl doch mal ein bisschen von eurer Familie. Ist Felix seinem Vater ähnlich?“
„Aha, aus deinem Interesse schließe ich, dass da doch mehr zwischen euch ist, als Felix uns vorhin weismachen wollte!“, antwortete Anja mit einem Lächeln, und Caro wurde prompt rot und nickte. „Ich hoffe, ich bin dir jetzt nicht zu nahe getreten?“, sagte Anja herzlich. „Ich finde dich sehr nett, und für meinen Bruder würde es mich ehrlich freuen, wenn er endlich wieder eine Partnerin hätte. Er ist ein großartiger Mensch, und er ist unserem Vater SEHR ähnlich.“
Dann erzählte sie mit warmen Worten von ihrer Kindheit und der ihres Bruders in einer intakten Familie, bis zu dem Zeitpunkt, als ihre Eltern unschuldig bei einem Autounfall starben. Ein alkoholisierter Jugendlicher hatte nachts auf einer Landstraße die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren und war frontal in den Wagen ihrer Eltern geprallt. Von diesem Zeitpunkt an hatten sie und ihr Bruder bei ihrem Onkel und seiner Frau gelebt. Das Unglück hatte die beiden Geschwister noch mehr zusammengeschweißt, und sie verbrachten, wann immer es möglich war, Zeit miteinander.
„Felix ist fast eine Kopie von Papa, und das nicht nur äußerlich. Unser Papa war auch ein wohlwollender Diktator. Unheimlich lieb und fürsorglich, aber im Zweifelsfall sehr … bestimmt, wie Felix eben. Aber das hast du wahrscheinlich schon mitbekommen.“ Anja lächelte Caro fast entschuldigend an.
„Mehr, als mir lieb ist“, murmelte Caro.
„Wenn Felix nicht gewesen wäre, hätte ich nie studieren können. Mein Onkel wollte, dass ich eine kaufmännische Lehre mache, aber Felix war damals mit seinem Studium schon fast fertig und hat mich durch das Abi geboxt. Wenn ich bloß an die Mathestunden mit ihm denke, wird mir jetzt noch übel! Aber er hat dafür gesorgt, dass ich ein gutes Abitur hingekriegt habe. Inzwischen studiere ich Publizistik in London, und wenn Felix mich nicht erheblich finanziell unterstützen würde, könnte ich mir das gar nicht leisten. Aber in einem Jahr bin ich fertig, und dann werde ich ihm ernsthaft Konkurrenz machen.“
In diesen Moment öffnete sich das Tor der Scheune und die Männer kamen heraus. Alois und Felix holten Tobias aus dem Kuhstall, was nicht gerade einfach war, denn die beiden Kälbchen hatten es ihm besonders angetan. Aber Alois versprach ihm, dass sie noch auf die Weide gehen würden, wo die beiden Haflinger-Pferde standen. Begeistert tätschelte der Junge die mächtigen, gutmütigen Tiere und fütterte sie mit ein paar mitgebrachten Äpfeln.
Danach verabschiedeten sie sich von Alois und vereinbarten, am nächsten Abend alle zusammen in Martins und Felix‘ Ferienhaus zu grillen. Alois lud Tobias ein, am nächsten Tag beim Heuwenden zu helfen, und Martin versprach, ihn
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