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Die Bernsteinhandlerin

Titel: Die Bernsteinhandlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walden Conny
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einer raschen Bewegung riss er die Klinge heraus und schleuderte sie in Erichs Richtung. Dicht vor dessen Stiefeln blieb sie im Boden stecken. »Wenn Ihr mein Messer so sehr fürchtet, möchte ich Euch anraten, es selbst für die Nacht aufzubewahren, damit Euer Schlaf nicht von unruhigen Gedanken gestört wird!«
    Eine Weile herrschte Schweigen, dann ergriff Algirdas wieder das Wort. »Damit Euer ritterliches Herz nicht durch Misstrauen zerfressen wird, werde ich es Euch sagen! Ja, es ist wahr! Ich bringe manchmal Bernstein zu den Litauern. Nicht besonders häufig, denn dafür könnten wir gar nicht genug abzweigen, ohne dass es dem Vogt oder den Schmugglern auffallen würde. Das ganze Dorf ist daran beteiligt. Manchmal gehen wir des Nachts hinaus an den Strand, damit uns niemand bei unserer Suche bemerkt. Reich wird niemand von uns dabei, aber es hilft uns zu überleben.«
    Â 
    Am nächsten Morgen erwachte Barbara sehr früh durch die Morgenkühle. Sie hatte sich zwar in eine Decke gehüllt, aber sie zitterte trotzdem am ganzen Körper. Das Feuer war niedergebrannt. Nur noch ein bisschen Glut war zu sehen. Algirdas schnarchte wie gehabt munter vor sich hin. Ihm schien die Kälte nichts auszumachen.
    Erichs Lager hingegen war verlassen. Barbara erhob sich, hängte sich die Decke um die Schultern und rieb sich die Hände.
    Am Flussufer entdeckte sie Erich. Er kniete mit freiem Oberkörper am Wasser, um sich zu waschen. Dann zog er sich Hemd und Wams wieder über und kehrte zurück.

    Barbara schluckte und hoffte, dass der Herr ihr all die zweifellos sündigen Gedanken vergeben würde, die zurzeit in ihrem Kopf herumschwirrten. Du Närrin!, schalt sie sich selbst. Welchen Sinn hatte es schon, sich etwas vorzustellen, was doch nie eintreten durfte? Das vergrößerte nur die Qual. Aber so klar ihr diese Erkenntnis auch vor Augen stand, so machtlos war sie doch gegen das, was sie fühlte.
    Â 
    Während Erich auf sie zuging, schnallte er sich den breiten Gürtel um, an dem das Rapier und der Dolch hingen.
    Â»Guten Morgen, Barbara«, sagte er, und die Art und Weise, in der er ihren Namen aussprach, hatte in ihren Ohren einen ganz besonderen Klang. Barbara … Niemand schien diesen Namen auf vergleichbare Weise aussprechen zu können.
    Â»Euch auch einen guten Morgen«, flüsterte sie und fühlte eine tiefe Verlegenheit. Sie glaubte, dass man ihr im Augenblick jeden Gedanken von der Stirn ablesen konnte und ihr Innerstes für Erich ein offenes Buch war. Ihr Herzschlag beschleunigte sich, und trotz der Kälte fühlte sie, wie sich von innen heraus eine angenehme Wärme in ihr ausbreitete.
    Erich deutete auf den schlafenden Algirdas.
    Â»Ich hoffe nur, dass wir es wenigstens heute bis zu diesem seltsamen Wolfsmann schaffen, dessen Hilfe uns Euer guter Bekannter versprochen hat«, meinte Erich.
    Â»Mit Eurem Misstrauen tut Ihr Algirdas unrecht.«
    Â»Wir werden sehen.«
    Â 
    Erich machte sich daran, die Pferde zu satteln, und so blieb es Barbaras Aufgabe, Algirdas zu wecken. Es dauerte nicht lange, bis das Lager aufgeräumt war und sie alle wieder im Sattel saßen. Nebelschwaden wanderten Geistern gleich über den nahen Wasserlauf und die angrenzenden Wiesen. Ein paar quakende
Wildenten ließen sich deutlich vernehmen, und immer wieder hörte man, wie sich etwas innerhalb des Nebels bewegte, wie Flügel ins Wasser schlugen und wie sich plötzlich kleine Gruppen von Gefiederten in die Lüfte erhoben, so als wären Luft und Wasser im Grunde nur ein einziges Element.
    Nachdem sie eine ganze Weile mehr oder minder schweigend am Flussbett entlanggeritten waren, soweit dies möglich war und die Flussauen sich nicht in flache Seen verwandelt hatten, erreichten sie gegen Mittag schließlich eine Stelle, an der sich das Gewässer, das wohl in den letzten fünfzig Jahren niemand mehr bei seinem Namen genannt hatte, überqueren ließ. Das Wasser schien recht flach und hatte sich in ein paar Auen auf der gegenüberliegenden Seite ergossen. Der Untergrund war trotz der Feuchtigkeit fest, und so wagten sie es. Algirdas ritt voran, auch wenn er diese Furt wohl ebenso wenig kannte wie Barbara und Erich.
    Â»Eins steht jedenfalls fest: Mit dem Wagen hätten wir diesen Weg nicht nehmen können!«, meinte Erich, als sie etwa die Mitte des Flusses erreicht hatten und die Beine der Pferde zu zwei Dritteln im

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