Die Bernsteinhandlerin
Wasser standen.
Auf der gegenüberliegenden Seite wurde der Untergrund etwas weicher, aber nicht in gefährlicher Weise. Algirdas deutete auf ein geschlossenes Waldgebiet, einige Meilen entfernt. »Dort müssen wir hin! Durch den Umweg, zu dem wir gezwungen waren, werden wir natürlich erst später ankommen.«
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Bis zum Nachmittag brauchten sie, um den Wald zu erreichen. Barbara hatte die Entfernung geringer eingeschätzt, was wohl daran lag, dass das Land sehr flach war und man recht weit sehen konnte. Zudem hatte sich der Dunst mittlerweile verzogen.
Auf manchen Karten, die Barbara im Haus ihres Vaters gesehen
hatte, wurde dieses Gebiet Niederlitauen oder einfach Niederlande genannt.
Eine Weile führte Algirdas sie am Waldrand entlang, bis sie schlieÃlich einen Weg nahmen, der den Wald einer Schneise gleich teilte. Barbara vermutete, dass der Weg einst im Auftrag der Ordensritter angelegt worden war, um schnellere militärische VorstöÃe zu ermöglichen. Formal hatte ganz Schamaitien vormals zum Ordensland gehört; dass der Orden es letztlich wieder verloren und inzwischen sogar ganz offiziell auf ewige Zeiten darauf verzichtet hatte, lag nicht nur an den Angriffen der Litauer. Ihrer Pflicht, diesen Landstrich zu verwalten, waren die Ordensritter nie in einer Weise nachgekommen, die notwendig gewesen wäre, um die wenigen Bewohner zu halten und neue anzusiedeln. Auch die Macht, die die Kreuzler mit ihrem Bernsteinmonopol, ihren geschlossenen Verbänden von Panzerreitern und ihren mit den besten Steinbüchsen ausgestatteten Burgen errungen hatten, war offenbar auf lange Sicht nicht groà genug gewesen, um auch diesen Landstrich zu zähmen. Vielleicht war auch ihre Zahl einfach zu gering im Verhältnis zur Ausdehnung ihres Landes.
Wucherndes Gestrüpp hatte sich die Schneise inzwischen an manchen Stellen zurückerobert, und es kamen anscheinend zu wenig Reiter oder Ochsenkarren des Weges, um es niederzutrampeln und am Wachstum zu hindern.
Von der Schneise aus führte ein kleiner Waldweg mitten durch das Dickicht. Immer wieder schlugen Barbara Ãste ins Gesicht, und sie kamen nur langsam vorwärts.
An einem Bachlauf machten sie eine Rast. Da tauchte zwischen den Bäumen plötzlich ein grauer Wolf auf. Das Tier kauerte zwischen zwei knorrigen Bäumen und verhielt sich ruhig, sodass es auf den ersten Blick mit seiner Umgebung zu verschmelzen schien. Barbara fuhr zusammen.
»Seht nur!«, flüsterte sie.
»Jedenfalls steht jetzt fest, dass wir hier richtig sind«, lautete Algirdasâ gelassener Kommentar. Die Anwesenheit des Wolfs schien ihn nicht im mindesten zu beunruhigen.
Die Pferde hingegen wurden nervös, und Erich übergab Barbara die Zügel seines Apfelschimmels und griff nach Pfeil und Bogen. »Ich bringe ungern unseren Führer um, wenn es ihm zurzeit gerade belieben sollte, als Wolf zu erscheinen, aber bevor er mir seine Zähne in die Wade schlägt, werde ich ihn töten wie einen tollwütigen Hund â¦Â«
Der Wolf senkte den Kopf und kam noch etwas näher, dann blieb er stehen und spitzte die Ohren. Algirdas schwang sich unterdessen in den Sattel. »Untersteht Euch, dieses harmlose Geschöpf zu töten!«, rief er.
»Wölfe, die so wenig Scheu zeigen, dürften selten harmlos sein!«, erwiderte Erich.
Algirdas lachte. »Dieser schon, denn er wird Euch durch das Niemandsland führen!« Damit gab er seinem widerstrebenden Pferd die Sporen und lieà es auf den Wolf zupreschen. Dieser drehte sich um und verschwand im Wald, während Algirdas hinter ihm herhetzte.
»Ein wirklich seltsames Land!«, stieà Erich von Belden hervor und steckte den Pfeil, den er schon eingelegt hatte, wieder in den am Sattel hängenden Köcher. Barbara gab ihm anschlieÃend die Zügel des Apfelschimmels zurück und schwang sich in den Sattel. »Wir werden zusehen müssen, dass wir Anschluss halten!«, rief sie und folgte Algirdas. Wenig später hörte sie hinter sich den dumpfen Hufschlag von Erichs Apfelschimmel auf dem weichen Waldboden.
Was dann folgte, empfand Barbara als einen wahren Höllenritt. Ständig peitschten ihr Ãste entgegen, und sie hielt sich dicht am Hals ihres Pferdes, das im Galopp davonjagte. Die
Hufe wühlten den Waldboden auf. Barbaras Blick war, schon um ihr Gesicht zu schützen, zu Boden gerichtet, wo die Spur zu sehen war, die Algirdasâ
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