Die Bernsteinhandlerin
muss schon ein jeder sein eigenes Messer nehmen«, meinte er und fügte dann hinzu: »Ich habe gehört, dass diese Dinge inzwischen überall Mode werden. Zumindest hat das ein Händler in Telsche behauptet, dem ich vor einem Jahr ein paar gegerbte Felle verkaufen konnte.«
Von dem Ort Telsche hatte Barbara schon gehört, denn es gab sehr seltene Handelskontakte bis nach Riga. Ein kleiner Marktflecken, in dem überwiegend Schamaiten und Litauer lebten.
Barbara lieà sich den Fisch schmecken. Es waren Forellen, und man musste sie langsam und mit Bedacht essen, wenn man nicht an einer der zahlreichen Gräten ersticken wollte.
»Das ist kein Essen für Gierige«, sagte Valdas. »Der Herr wird es vor allem für die Fastenzeit vorgesehen haben. Es ist eine Speise, die die menschlichen Temperamente allein durch ihre Eigenschaften mäÃigt.«
»Wie gut kennt Ihr den Weg nach Riga?«, fragte Barbara.
»Fast so gut wie mein Haus!«, lachte der Mann, der als der Mannwolf bekannt war.
»Dann können wir uns ja ganz beruhigt Eurer Sachkunde überlassen.«
»Wenn ich mich dieser Angelegenheit tatsächlich annehmen sollte«, schränkte Valdas ein. »Bei aller Gastfreundschaft â das habe ich noch nicht entschieden.«
»Und wann werdet Ihr das tun?«
»Wenn ich mehr über Euch weià und den Grund dafür, dass man Euch offensichtlich verfolgt.«
Barbara wechselte einen kurzen Blick mit Algirdas, der zuerst die Hände hob und das Fischfett ableckte, bevor er
schlieÃlich sagte: »Darüber habe ich Valdas gegenüber kein Wort verloren! So wahr ich hier sitze!«, beteuerte er.
Valdas winkte ab. »So schwer ist das nicht zu erraten! Jeder, der freiwillig diese Ãdnis durchzieht, tut das in der Regel, weil jemand hinter ihm her ist, er ein Gesetz gebrochen hat oder es sonst irgendeinen triftigen Grund gibt, die Gesellschaft der Menschen zu meiden. Das gilt übrigens für die Bewohner des Ordenslandes ebenso wie für die Litauer. Hier im Niemandsland sammeln sich all jene, für die ansonsten nirgendwo Platz ist.«
»Und warum ist für Euch nirgendwo Platz?«, erkundigte sich Erich.
Valdas hob die buschigen Augenbrauen, die an den AuÃenseiten schräg nach oben wiesen und seinem Gesicht eine diabolische Note gaben. »Hat man Euch nicht davon berichtet, dass ich mich hin und wieder in einen Wolf zu verwandeln pflege und dann wahlweise Lämmer, kleine Kinder oder Jungfrauen zerfleische? Doch es soll mir nur recht sein, wenn diese Geschichten erzählt werden. Das hält mir das Gesindel fern â all die kleinen Diebe und Schlitzohren, die hierher gelangen, um ihrem irdischen Urteil zu entkommen, und doch nicht ahnen, dass sie dem Urteil des Himmels nirgendwo zu entkommen vermögen, ganz gleich, was sie versuchen und wie weit ihre Pferde sie tragen.«
»Na, dann bin ich ja schon mal beruhigt, dass diese Geschichten offenbar nicht den Tatsachen entsprechen«, meinte Erich.
»Niemand sollte sich da in absoluter Sicherheit wiegen. Es gibt mehr zwischen Himmel und Erde, als wir zu träumen wagen â¦Â«
»Auch Männer, die sich in Wölfe verwandeln?«, fragte Barbara.
»Ich habe leider nicht die geringste Ahnung von diesen Dingen«, behauptete Valdas. »Ich habe zwar schon von Mannwölfen gehört, aber das war anderswo, nicht in dieser Gegend. Und ich selbst habe so etwas nie mit eigenen Augen gesehen.« Er grinste verschmitzt. »Und wenn ich selbst mich tatsächlich gelegentlich in einen Wolf verwandeln würde, dann müsste ich doch eigentlich Zeuge dieses Ereignisses geworden sein, obwohl ⦠Manchmal spricht man ja auch von Mannwölfen, die sich später an ihre Gräueltaten, die sie in Wolfsgestalt begangen haben, gar nicht mehr erinnern können.« Er wandte sich an Barbara. »Euer Vater hat einen Ruf, der weit über das Ordensland hinausgeht. Schon vor Jahrzehnten, als Ihr noch gar nicht geboren wart, sprach man überall mit gröÃtem Respekt von ihm. Wie kommt es, dass seine Tochter darauf angewiesen ist, sich von einem AusgestoÃenen wie mir durch das Niemandsland führen zu lassen, anstatt auf den üblichen Wegen zu reiten? Die mögen zwar unsicher sein, sie sind allerdings lange nicht so unsicher wie eine Reise durch diese öden Lande.«
Er zweifelt daran, dass ich die bin, für die Algirdas mich ausgibt!, erkannte
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