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Die Bernsteinhandlerin

Titel: Die Bernsteinhandlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walden Conny
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wäre es besser, vorher davon zu wissen, um ihnen weiträumig ausweichen zu können.

FÜNFZEHNTES KAPITEL

    Der Teufel im Dorf der Dänen
    Ich aber war der Hirte der Christen zu Nyby im Lande Schamaitien, das im Lateinischen wohl Samogitia genannt wird, während ein kleinerer Teil der Provinz Auxtote heißt und doch auf kaum einer Karte zu finden ist. In manch schwerer Stunde ist selbst mir der Gedanke aufgekommen, Gott habe diesen Ort vielleicht vergessen. In Abständen von einem Jahr oder länger aber kam der Mannwolf zu uns und gemahnte die Gläubigen durch seine grausige Existenz daran, wie der Herr diejenigen straft, die seinen Weg verlassen haben.
    Gerardus aus Bremen, Pfarrer zu Nyby (Nibussa) in den Niederlanden von Schamaitien (Samogitia), zitiert nach seiner eigenen Chronik; anno 1450
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    Sie näherten sich dem Dorf der Dänen.
    Einige Kinder liefen ihnen zuerst entgegen, als sie jedoch den Wolf bemerkten, rannten sie laut schreiend zurück. Valdas lachte. »Die werden uns gebührend ankündigen!« Er drehte sich zu Barbara um und fügte hinzu: »Seht Ihr, wie wenig ich auf Euer Silber oder irgendwelche anderen Reichtümer dieser Art angewiesen bin? So manch ein hoher Herr gibt ein Vermögen dafür aus, dass Herolde ihm vorauseilen und ihn ankündigen. Mir gelingt dies allein durch das Charisma meiner Erscheinung!«

    Er lachte laut und heiser. In all den Jahren, die er hauptsächlich in Gesellschaft seines Wolfs verbracht hatte, schien er sich mit einer ganz eigenen Art von Humor selbst unterhalten zu haben.
    Die Häuser von Nyby bildeten einen Kreis, in dessen Zentrum sich eine Kirche befand. Es gab kleine Befestigungsanlagen. Die Langhäuser der Dänen unterschieden sich von den weitaus weniger zahlreichen Häusern geflohener Semgallen vor allem durch das Fehlen von Hengstköpfen und Krötentafeln. An den Gräbern war der Unterschied besonders deutlich zu sehen. Kreuze auf der einen, krötenförmige Tafeln auf der anderen Seite. Aber in manchen Bereichen mischten sich beide Formen der Grabkennzeichnung bereits, so wie sich mit der Zeit wohl auch die Familien zu mischen begonnen hatten.
    Mütter riefen laut durch den Ort – meistens auf Semgallisch, aber etliche auch in dänischer Sprache. Sie wiesen ihre Kinder an, sich in die Häuser zurückzuziehen. Fensterläden schlossen sich, so als wäre der Leibhaftige selbst in den Ort gekommen, um sich unter den Bewohnern Nybys ein paar arme Sünder zu erwählen, die ihn in sein glühendes Höllenreich zu begleiten hatten.
    Â»Einen so freundlichen Empfang hatte ich lange nicht!«, gestand Erich spöttisch. Er zweifelte anscheinend, dass es wirklich ein glücklicher Einfall gewesen war, den Boden dieses Dorfes zu betreten. »Könnte es sein, dass Ihr schon sehr lange nicht mehr hier wart und sich die Stimmung gegen Euch in der Zwischenzeit deutlich zu Eurem Nachteil verändert hat, Valdas?«
    Â»In dem einen Jahr seit meinem letzten Besuch werden nicht ausgerechnet all meine Freunde an einer Epidemie gestorben sein!«, knurrte der Einsiedler. Dessen vierbeiniger Begleiter schien sehr wohl zu spüren, dass man gerade ihm hier nicht wohlgesinnt war.

    Barbara sah hie und da neugierige Blicke, die verstohlen durch Türspalten und halb geöffnete Fensterläden auf die Ankömmlinge gerichtet wurden. Mochte so mancher in diesem Ort auch davon überzeugt sein, dass Valdas und sein Wolf Geschöpfe des Teufels seien oder zumindest etwas mit ihm nicht stimmte, so wollte doch andererseits niemand verpassen, was sich nun wohl auf dem Dorfplatz ereignen mochte.
    Der Pfarrer kam aus der Kirche und bekreuzigte sich. Er nahm das Kreuz, das er an einem Lederband um den Hals hängen hatte, und hielt es Valdas entgegen. »Von dannen mit dir, Satan!«, rief er auf Platt.
    Â»Er kommt aus Bremen und kann gerade genug Dänisch, um hier zu predigen«, meinte Valdas. »Aber anscheinend haben ihn die Semgallen mit ihrem Aberglauben beeinflusst, obwohl er nicht ein Wort ihrer Sprache spricht!«
    Der Pfarrer nahm all seinen Mut zusammen und trat den dreien entgegen. Das Kreuz hielt er immer noch wie eine zaubermächtige Schutzreliquie vor sich. Es war aus dunklem Holz. Für ein Kreuz aus Silber, Gold oder auch nur Bronze oder Kupfer hatte hier niemand die nötigen Taler, und im Übrigen wäre es in dieser unsicheren Gegend ohne

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