Die Bernsteinhandlerin
übernachten. In gewisser Weise konnte sie seinen Beweggrund verstehen, sosehr sie selbst diese Trennung auch schmerzen mochte. Sich andauernd zu begegnen, in der Gewissheit, sich doch fernbleiben zu müssen, wäre sicherlich für beide Seiten eine Qual gewesen.
Barbara versuchte diese Gedanken zu verscheuchen. Sie war wieder daheim in Riga, obwohl es zwischenzeitlich sehr
fraglich gewesen war, ob sie es je schaffen würde, hierhin zurückzukehren, zumindest auf direktem Weg.
Gemeinsam mit ihrem Vater ging sie ins Haus. Natürlich prasselten die Fragen nur so auf sie ein, und jede Antwort, die Barbara geben konnte, warf zunächst neue Fragen auf. Was die Besprechungen mit dem Hochmeister in der Marienburg ergeben hatten, stand vorerst im Hintergrund. Barbara berichtete von dem Ãberfall auf der Nehrung, von Erichs beherztem Eingreifen und dem langen Weg über die Memelburg und die schamaitische Wildnis, den sie daraufhin zurückgelegt hatten.
»Der Bernsteinschmuggel ist zu einem Problem geworden, das auch die Grundlagen unserer Geschäftstätigkeit berühren könnte«, unterrichtete sie im Anschluss ihren Vater. »Der neue Hochmeister hat mit mir dieses Problem zwar nur in allgemeinerer Form erörtert, aber auch er macht sich groÃe Sorgen darüber. Und dieser Ring der schwarzen Kreuze muss eine Vereinigung sein, deren Arme sehr weit reichen. Von Lübeck bis in die Rigaische Bucht und darüber hinaus.«
»In diesem Zusammenhang ist ein Gespräch interessant, das ich vor kurzem mit einem Vertreter des Erzbischofs führte«, erwiderte Heinrich seiner Tochter. »Mal davon abgesehen, dass es ohnehin schon erstaunlich ist, dass der Erzbischof offenbar an engeren Kontakten zur Kaufmannschaft interessiert ist und in uns wohl einen Koalitionspartner hinsichtlich künftiger Konflikte mit dem Orden sieht ⦠Man empfahl mir übrigens ganz unverblümt, noch einmal zu überdenken, ob es nicht ratsam wäre, das Verlöbnis zwischen dir und Matthias Isenbrandt doch noch in eine Ehe münden zu lassen.«
»Das ist nicht dein Ernst, Vater!«
Barbara stieà diese Worte geradezu hervor. Sofort kam ihr das Gespräch mit Gernot von der Tann ins Gedächtnis. Es gab
anscheinend mächtige Interessen und gute Argumente, diese Verbindung doch zu vollziehen.
Heinrich Heusenbrink hob beschwichtigend die Hände. »Ich habe lediglich wiederholt, was mir mein Gesprächspartner gesagt hat! Und wenn Bernardus mir so etwas sagt, kann ich davon ausgehen, dass das nicht einfach so dahingeredet, sondern mit dem Erzbischof abgestimmt ist!«
»Mit einem verheiratet zu sein, bei dem ich nie sicher sein könnte, dass er mir nicht irgendetwas in die Nahrung mischen lässt, kann niemand von mir verlangen!«
»Das wollte ich damit auch nicht gesagt haben!«
»Ich habe vielleicht damals zu lange gebraucht, um das so klar zu erkennen, aber: Es wäre für mich unvorstellbar, mit jemandem wie Matthias Isenbrandt Tisch und Bett zu teilen. Letzteres würde mich wohl nur Ãberwindung, jedoch Ersteres vielleicht das Leben kosten â¦Â«
»Ich bin mir nicht sicher, ob wir Matthias seinerzeit nicht zu hart beurteilt haben. AuÃer diesem Verdacht, den der Ritter von Belden dir gegenüber äuÃerte, gab es ja keinerlei Indizien. Und soweit mir bekannt ist, hat es auch keinen Prozess in Lübeck um diese Dinge gegeben.«
»Ich dachte, in diesem Punkt wären wir uns einig«, erwiderte Barbara.
»Das sind wir auch. Und ich versichere dir, dass ich niemandem irgendwelche Versprechungen gemacht habe. Bislang bleibt es beim Status quo, und da wir damals keinen Eid geleistet haben, sind wir einigermaÃen aus dem Schneider. Wenigstens würde man dich oder mich nicht gleich wegen Eidbruchs in Haft nehmen, wenn wir nach Lübeck reisen und durch das Holstentor schreiten würden.«
Barbara fühlte Enttäuschung. Allem Anschein nach hatte ihr Vater in der Zwischenzeit durchaus überlegt, ob die Verbindung
zum Haus Isenbrandt nicht doch noch zustande kommen könnte. Inwiefern es da eine Rolle gespielt hatte, dass er von dritter Seite mehr oder minder deutlich darauf hingewiesen worden war oder diesen Gedanken in Wahrheit schon seit längerem selbst verfolgte, konnte Barbara nicht ermessen. Sie hatte Verständnis dafür, dass ihr Vater in der sich krisenhaft zuspitzenden Lage nach einem Weg für das Haus
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