Die Bernsteinhandlerin
â ist das der erste Anfall dieser Schwere?«
»Nein«, gab Christian zu. »Während Ihr auf Reisen wart, ist das schon des Ãfteren vorgekommen, und auch zuvor stand es ja schon seit längerem nicht zum Besten mit seiner Gesundheit, wie Ihr wisst. Aber bisher hat sich sein Zustand immer wieder zum Besseren gewendet, und so glaubt er nicht, ernsthaft krank zu sein.«
»Ich möchte, dass ein Medicus geholt wird.«
»Das kann ich nicht tun. Meine Herrschaft vertraut mir.«
»Dann gebt vor, dass der Medicus meinetwegen kommen soll. Nach dem ungewohnten Ritt schmerzen mir die Beine, und ich habe blaue Flecken am ganzen Körper. Das dürfte Grund genug sein, einen Arzt kommen zu lassen! Und auÃerdem sorgt mir doch bitte dafür, dass ich einen Kübel mit warmem Wasser bekomme. An mir haftet so viel Dreck, dass einem manches Landschwein dagegen reinlich erscheinen muss!«
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Später kam der Medicus. Barbara hatte sich wieder so zurechtgemacht, dass sie sich Fremden gegenüber sehen lassen konnte. Da sich Heinrichs Zustand in der Zwischenzeit nicht wirklich gebessert hatte, hielt sich sein Ãrger darüber, dass Barbara den Arzt unter einem Vorwand hatte rufen lassen, in Grenzen.
Heinrich lieà sich zum Aderlass überreden, auch wenn er an die Wirksamkeit dieser MaÃnahme nicht wirklich glaubte. Aber es ging ihm offenbar schlecht genug, um jede nur erdenkliche Möglichkeit einer Besserung in Erwägung zu ziehen. Der Medicus hatte auÃerdem ein paar Tinkturen dabei, die übel rochen und deren Ingredienzien er nicht verraten wollte. Diese Tinkturen seien auf die schmerzenden Stellen aufzutragen und würden zu einer Linderung führen.
»Ich will hoffen, dass ich am Ende auÃer meiner Atemnot und dem Gefühl der schrecklichsten Beklemmung nicht noch ein paar üble Geschwüre auf der Haut davontragen werde und jeder mich für aussätzig hält!«, knurrte Heinrich Heusenbrink, von tiefem Hader mit seinem Schicksal und seiner gegenwärtigen Verfassung erfüllt.
»Ihr könnt meinen MaÃnahmen durchaus vertrauen«, erklärte der Medicus etwas beleidigt. »Ich habe bereits unzähligen Kranken geholfen, sofern es Gottes Wille war, sie zu retten.«
»Dann will ich dafür beten, dass der Herr für mich nicht schon etwas anderes beschlossen hat«, gab Heinrich klein bei und lieà sich nach dem Aderlass sogar die Tinkturen auftragen, was ihm trotzdem nach wie vor sehr unangenehm war. Es brauchte schon ein nochmaliges gutes Zureden des Medicus, bis er endlich bereit war, die Unbilden auszuhalten, die durch die Tinkturen verursacht wurden. Dazu gehörte unter anderem ein brennendes Juckgefühl, das den Handelsherrn schier rasend zu machen drohte.
Zusätzlich verabreichte ihm der Medicus deshalb einen Kräutersud zur Beruhigung, woraufhin Heinrich bald in den Schlaf der Erschöpfung fiel â nicht ohne Barbara zuvor noch einmal zu ermahnen, der Zusammenkunft der Schwarzhäupter beizuwohnen, da diese für seine geschäftlichen Beziehungen ins Ausland wichtig sei.
Als Heinrich eingeschlafen war, konnte Barbara ihn nicht mehr fragen, in welcher Eigenschaft und aus welchem Anlass er als Gast der Schwarzhäupter-Compagnie in deren Festsaal geladen war.
Dort versammelte sich die Bruderschaft der in Riga ansässigen ausländischen Kaufleute, die nicht das Bürgerrecht der Stadt besaÃen. Normalerweise hatten weder die Heusenbrinks noch andere Rigaer Zugang zu deren Treffen, es sei denn, es bestand ein besonderer Anlass dafür.
»Wisst Ihr mehr darüber?«, wandte sie sich an Thomas Bartelsen, nachdem sie ihren Vater der Aufsicht einer Magd überlassen hatte.
»Euren Vater hat diese Einladung ebenso verwundert, wie sie Euch jetzt erstaunt. Aber inzwischen hat sich herausgestellt, dass die Schwarzhäupter einen engeren Kontakt zum Haus Heusenbrink wünschen und an der Meinung interessiert sind, die hier zu verschiedenen Themen vertreten wird.«
»Die Schwarzhäupter haben sich in der Vergangenheit immer auf die Seite derer geschlagen, die unsere Position untergraben wollten«, stellte Barbara fest. Kein Wunder, dass ihrem Vater dieses Treffen so wichtig war. Anscheinend erwarteten die Schwarzhäupter tiefgreifende Veränderungen in Riga und darüber hinaus im gesamten Ordensland. Veränderungen, aus denen man eventuell Profit schlagen konnte. Die Zeiten
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