Die Bernsteinhandlerin
schmoren.«
»Nicht nur aus diesem Grund«, grinste Matthias. »Aber mein Vater hat vor einiger Zeit umfassenden Ablass für alle Mitglieder unserer Familie erworben, sodass ich nichts zu befürchten haben werde â¦Â«
»Jemand wie ich kann sich so etwas leider nicht leisten«, sagte die junge Frau. »Ich werde also auf die ganz gewöhnliche Absolution hoffen müssen.« Sie strich mit den Fingern über seine Brust bis zu seinem Hals. »Ich heiÃe übrigens Aaltje.«
»Wieso?«
»Weil du mich vorhin Rieke genannt hast!«
Ihre Finger berührten den kleinen Lederbeutel, der Matthias Isenbrandt um den Hals hing und den er nicht einmal in
diesen Augenblicken ihrer Leidenschaft abgelegt hatte â wo er doch ansonsten nichts mehr trug, womit er nicht geboren worden war.
Matthias schien ihre letzte Bemerkung gar nicht zur Kenntnis genommen zu haben. Seine Augen waren geschlossen. Vielleicht war er erschöpft von ihrem Liebesspiel, vielleicht stellte er sich auch nur schlafend, um darauf nicht eingehen zu müssen.
Vorsichtig öffnete Aaltje den Beutel.
Seit sie Matthias Isenbrandt zum ersten Mal auf diese Weise nähergekommen war, hatte es sie schon immer brennend interessiert, was er in diesem unscheinbaren Lederbeutel bei sich trug.
Möglicherweise handelte es sich um irgendeine Art von Glücksbringer: den Fingerknochen eines Heiligen oder die Haare eines Apostels. An jeder StraÃenecke konnte man solche Dinge kaufen, und das in solchen Mengen, dass man sich früher oder später fragen musste, ob es wirklich nur zwölf Apostel gegeben hatte und selbst die Zahl der Heiligen etwas knapp bemessen war.
In diesem Beutel befand sich allerdings etwas ganz anderes. Behutsam holte Aaltje ein Amulett daraus hervor. Es war deutlich kleiner als eine lübische Mark. Der Rand war schwarz â ebenso wie die drei Kreuze, die sich innerhalb dieses Kreises befanden. Die Flächen dazwischen schimmerten golden.
Aaltje runzelte die Stirn.
Im nächsten Moment spürte sie einen eisernen Griff um ihr Handgelenk. Mit der anderen bekam sie einen Schlag ins Gesicht, der ihr das Blut aus der Nase schieÃen lieÃ. Matthias riss ihr das Amulett aus der Hand und schloss es in seiner Faust fest ein. Gleichzeitig stieà er Aaltje grob von sich herunter.
»Versuch so etwas nie wieder!«, fuhr er sie an, und sein Gesicht
hatte sich dabei zu einer Fratze verzogen. Aaltje kauerte am Boden und wischte sich das Blut aus dem Gesicht. »Hast du mich verstanden?«
Die junge Frau war unfähig, etwas zu sagen. Sie nickte nur, und ein Zittern durchlief ihren Körper. Dann griff sie nach ihren Kleidern, die auf dem Boden verstreut lagen, und raffte sie an sich. Matthias steckte unterdessen das Amulett zurück in den Beutel. »Du hast dieses Zeichen nie gesehen, hast du gehört, Aaltje?«
Sie blickte auf und schluckte. Dass Matthiasâ Stimmung schlagartig kippen konnte, hatte sie schon mehrfach erlebt. »Ich habe nichts gesehen«, wisperte sie, denn sie wusste, dass es in solchen Momenten am besten war, sich vor ihm in Acht zu nehmen und ihm keinesfalls zu widersprechen â das konnte ihn rasend machen.
SIEBTES KAPITEL
Barbaras Verlobung
Es wurden aber mehr als zweihundert Personen von den Isenbrandts geladen, und es waren so viele Schweine und Hühner geschlachtet worden, dass man in diesen Tagen in ganz Lübeck keinen Schlachter hätte bekommen können â für kein Geld der Welt, denn sie alle hatten mehr zu tun, als sie schaffen konnten. So manchem jedoch soll vor lauter triefendem Fett auf dem Feste schlecht geworden sein, und von anderen sagt man, dass sie nicht einmal mehr tanzen konnten, weil ihre Bäuche so spannten, dass sie kaum noch Atem zu holen vermochten. Die Reste des Mahls aber bekamen die Hunde, und was diese nicht vertilgten, wurde dem Kloster gestiftet, sodass damit die Armen der Stadt gespeist werden konnten. So behielten zumindest sie den Tag in guter Erinnerung und erzählten noch Jahre später davon, wie sie sich vom Bankett der Isenbrandts den Wanst vollgeschlagen hatten.
Pater Cornelius in seiner Chronik; 1447
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Ein Fest wie dieses hatte Lübeck schon lange nicht mehr gesehen, und nicht einmal das groÃe Haus der Isenbrandts hatte gereicht, um alle Gäste zu bewirten, die zur Verlobung von Barbara Heusenbrink und Matthias Isenbrandt geladen waren.
Jakob Isenbrandts Einfluss war
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