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Die Bernsteinhandlerin

Titel: Die Bernsteinhandlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walden Conny
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lagen, doch noch in den Himmel aufstiegen, um vor ihr letztes Gericht gestellt zu werden.
    Die Kälte war so durchdringend, dass sie Hagen durch Mark und Bein ging. In vollem Galopp preschte der ehemalige Kommandant der Stadtwache von Lübeck über den Acker. Der Hufschlag riss dunkle Erdklumpen in die Höhe.
    Für eine kurze Weile galten seine Gedanken noch Erich von Belden. Ein Narr war das! Aber offensichtlich nicht zu belehren. Wir werden sehen, ob wir uns im Osten irgendwo wiedersehen!, dachte er. Wenn ein neuer Krieg um Danzig bevorstünde, ergäben sich da vielleicht für alle, die ein Schwert tragen konnten, gute Möglichkeiten – entweder auf Seiten der Angreifer oder der Verteidiger. Davon abgesehen erzählte man sich von dem noch weiter entfernt gelegenen Bernsteinland, in dem der Orden herrschte, geradezu märchenhafte Dinge. Ein Land, in dem der Reichtum in Form von Bernstein an den Stränden der Ostsee lag und nur aufgehoben werden musste
… Oft genug hatten die Seeleute der Schonenfahrer in den Schänken davon erzählt. Hagen hatte stets vermutet, dass sie ganz gehörig übertrieben. Nun hatte er vielleicht schon recht bald Gelegenheit, das selbst überprüfen zu können.
    Aus dem Nebel tauchte schemenhaft etwas Dunkles auf. Das zänkische Krächzen von Raben drang mit fast schmerzvoller Eindringlichkeit an Hagens Ohr.
    Wenig später war der Karren des Henkers zu sehen.
    Hagen van Dorpen zügelte sein Pferd. Dutzende von Raben taten sich an der Leiche gütlich, die ausgestreckt auf dem Karren lag. Aber nicht der Leichnam der Giftmischerin, sondern der Henker war es, der da selbst zum Aas der Rabenbrut geworden war.
    Ein paar Schritte abseits des Karrens war eine Stelle, an der vor kurzem gegraben worden war. Das Grabwerkzeug lag noch auf dem Boden. Vermutlich hatte der Henker hier zunächst die Giftmischerin verscharrt, bevor ihn selbst das Schicksal getroffen hatte.
    Hagen stieg von seinem Pferd und trat an den Karren heran. Aufgebracht darüber, dass jemand sie von ihrer Mahlzeit vertrieb, stoben die Raben krächzend davon. Der Henker bot einen grausigen Anblick: Die Vögel hatten ihm die Augen ausgepickt und an verschiedenen anderen Stellen seines Körpers damit begonnen, ihn zu fressen. Gestorben war er jedoch an etwas anderem – in der Nähe des Herzens stak der Bolzen einer Armbrust.
    Auf seine Stirn waren ihm überdies mit Kohle drei von einem Kreis umgebene schwarze Kreuze gezeichnet worden.
    Beim Anblick dieses Zeichens musste Hagen van Dorpen unwillkürlich schlucken. Er ließ den Blick wieder über den nebelgrauen Schindacker schweifen. Wie dunkle Schatten der Hölle ragten in einiger Entfernung die Umrisse windschiefer
Bäume auf. Das Krächzen der Raben glich immer mehr einem schaurigen Gesang der Unterwelt, der kein Ende nehmen wollte.
    Drei schwarze Kreuze …
    Gewinnt etwa dieser alte Fluch neue Macht in Lübeck?, ging es Hagen durch den Kopf. Das konnte ihn nur darin bestärken, so schnell wie möglich und endgültig das Weite zu suchen.
    Entschlossen schwang er sich auf den Rücken seines Pferdes, stieß dem Tier die Hacken in die Weichen und ließ es über den ebenen Acker galoppieren – jenen dunklen Schemen entgegen, die sich tatsächlich immer deutlicher als Bäume entpuppten, je weiter er sich ihnen näherte.
    Â 
    Im Laufe des Tages machte die Nachricht vom Schicksal des Henkers in ganz Lübeck die Runde. Kaum einer vergaß bei seiner Erzählung zu erwähnen, dass dem Unglücklichen drei schwarze Kreuze auf die Stirn gezeichnet worden waren, die von einem Kreis umgeben waren.
    Erich erfuhr im Schankraum des langen Liudger davon, als ein ziemlich aufgeregter Mann hereingeplatzt war und davon berichtete. Es war ein Bettler, der seine Geschichte mit dramatischen Gesten begann und dann erst einmal ein paar Almosen einsammelte, bevor er fortfuhr. Aber den meisten, die beim langen Liudger im Schankraum saßen, war es die eine oder andere Kupfermünze wert, zu wissen, was mit dem Henker geschehen war. Erich hörte, wie die Männer redeten. Das Mitleid mit dem Henker war dabei nicht allzu ausgeprägt.
    Â»Drei schwarze Kreuze – ein übler Scherz …«
    Â»Darüber macht man keine Scherze.«
    Â»Jetzt landet er womöglich in derselben gottlosen Erde, in der er so viele andere verscharrt hat!«
    Â»So ist die Gerechtigkeit des

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