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Die Bernsteinhandlerin

Titel: Die Bernsteinhandlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walden Conny
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hob die Augenbrauen. Sie hielt dem Blick der grauen Augen des Ältermanns stand und fragte unbeirrt weiter: »Aber es ist doch wahr, dass eine Giftmischerin hingerichtet wurde, oder?«
    Â»Ich weiß nicht, wer Euch so etwas eingeredet hat«, erwiderte Kührsen. »Nun kommt Ihr aus Riga, und ich weiß nicht, wie weit Ihr schon über Eure Stadtgrenzen hinausgekommen seid. Jedenfalls ist es in einer größeren Stadt wie Lübeck manchmal so, dass Gerüchte ihr Eigenleben entwickeln und die Gespinste aus Einbildung und Furcht dann so greifbar werden, als würden sie wirklich existieren.«
    Â»Ihr wollt demnach behaupten, diese Giftmischerin sei nur ein Geschöpf der Einbildung?«
    Â»So würde ich das nicht bezeichnen. Doch wenn Ihr es genau wissen wollt – wir hatten tatsächlich jüngst den Fall einer Frau, die der Giftmischerei und der Hexerei verdächtig war. Sie lebt allerdings nicht mehr. Vielleicht war ihre Behandlung durch den Henker etwas zu rau, vielleicht war obendrein ihre Gesundheit etwas schwächlich. Wie auch immer, sie ist in der Nacht gestorben, noch ehe sich der Verdacht entweder bestätigen oder widerlegen ließ. Solche Vorfälle sind zwar kein Ruhmesblatt der Rechtspflege, aber sie kommen nun einmal vor. Wenigstens ist jetzt ausgeschlossen, dass dieses Weib weiter Schaden anrichten kann.«
    Â»Dann verstehe ich nicht, weshalb sie noch immer in aller Munde ist«, hakte Barbara noch einmal nach.
    Â»Wenn Ihr das nicht versteht, so versteht Ihr die Natur des Menschen nicht«, gab Kührsen zurück. »Doch das sei Euch verziehen. Schließlich seid Ihr noch jung und unerfahren. Ihr habt noch nicht erleben müssen, was für eine verheerende
Macht allein die Furcht zu entfalten vermag. Und nun mögt Ihr mich entschuldigen! Ich sehe da gerade einen guten Bekannten aus England, der eventuell dafür sorgen wird, dass das Hansekontor in London endlich erweitert werden kann und unsere Kaufleute dort nicht länger so stark benachteiligt werden.« Richard Kührsen lächelte jetzt geschäftsmäßig distanziert und fügte schließlich in einem gedämpften, fast verschwörerischen Tonfall hinzu: »Der Augenblick für eine Einigung ist so günstig wie schon seit langem nicht mehr! Die englische Krone erhofft sich Unterstützung bei ihrem schon fast verlorenen Kampf um ihre französischen Besitzungen und ist finanziell am Ende …« Richard Kührsen verbeugte sich und hatte sich längst ein paar Schritte von Barbara entfernt, ehe sie in der Lage gewesen wäre, ihm noch irgendeine andere Frage zu stellen, die ihn in die Bredouille hätte bringen können.
    Barbaras Blicke suchten ihren Vater und fanden schließlich zumindest den dänischen Gesandten, der aber inzwischen mit dem Ältermann der Bergenfahrer-Bruderschaft verhandelte.
    Plötzlich spürte Barbara, wie ein eiserner Griff sie am Oberarm packte – und zwar so grob, dass er ihr wehtat.
    Â»So seid Ihr mir doch nicht verloren gegangen«, wisperte gleichzeitig eine schneidende Stimme hinter ihr – eine Stimme, die zwar bislang nicht viele Worte mit ihr gewechselt hatte, die Barbara dennoch unter Hunderten sofort wiedererkannt hätte. Sie schrak unwillkürlich zusammen.
    Â»Wollt Ihr mir zeigen, dass Ihr mir mit Eurem Griff den Arm zu brechen vermögt, Matthias?«
    Â»Ich will nur vermeiden, dass Ihr mir wieder entwischt. Letztendlich haben wir den Anwesenden noch nicht gezeigt, wie anmutig und mit welch hohem Maß an Harmonie wir uns zur Musik zu bewegen wissen! Man soll ja schließlich nicht seltsame Gerüchte über uns zu verbreiten beginnen!«

    Â»So wie über die Giftmischerin?«, fragte Barbara und drehte sich um.
    Ihrer beider Blicke begegneten sich dabei. Sie sah das unruhige Flackern in seinen Augen, und er schien für einen kurzen Moment etwas verunsichert zu sein. Wie gewohnt überspielte Matthias das mit einem Lächeln, das so wenig Herzenswärme ausstrahlte, dass es Barbara fröstelte.
    Â»Wenn Ihr so wollt …«
    Er lockerte den Griff und führte sie auf die Tanzfläche. Wenn es noch eines physischen Beweises bedurft hätte, dass sie sich völlig wesensfremd waren, dann wurde er nun auf der Tanzfläche erbracht. Es war keinerlei Harmonie zwischen ihnen – nicht in ihrem Geist und nicht in ihren Bewegungen – und schon gar nicht in ihren

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