Die Bernsteinhandlerin
erwehren. Der Wirt scheint Euch zu trauen, sonst würde er Euch nicht allein in seinem Haus zurücklassen. Also werde ich es auch tun!« Er zeigte noch einmal auf Barbara und begutachtete ihre FüÃe. »Euer Knappe hat ausgesprochen kleine FüÃe. Ihr solltet ihn besser nähren.«
»Dafür ermüdet sein Pferd nicht so schnell, und ich kann dem Gaul sogar noch meine Waffen aufschnallen!«
Der Vogt brach in schallendes Gelächter aus. »Ein Mann von Ehre mit Humor! Meistens schlieÃt sich das leider aus.«
Als er sich wieder gefasst hatte, machte er auf dem Absatz kehrt und ging zur Tür. Dort blieb der Vogt kurz stehen, drehte sich noch einmal zu Barbara und Erich um und zischte sie beide unvermutet bissig an: »Wenn Ihr doch etwas mit dieser Schmugglerrotte zu tun haben solltet, die Bernsteinvögten, die ihnen nicht genehm sind, die Kehle durchschneiden und ihnen schwarze Kreuze auf die Stirn malen, dann mag Euch Gott vergeben â aber ich nicht! Das sei Euch zur Warnung gesagt. Jeden dieser Hunde erschlage ich eigenhändig, wie einen gewöhnlichen Bernsteindieb, der einen Stein in seinem Wams zu verstecken versucht â¦Â«
»Schwarze Kreuze?«, fragte Erich nach.
»Ihr wisst davon?«
»Ich habe davon gehört. Jedoch nichts, was über vage Gerüchte hinausginge.«
»Der Grund dafür ist einfach: Die meisten, die etwas zu erzählen
wüssten, gehören entweder selbst dazu, oder aber sie sind tot, und man findet ihre Leichen irgendwo am Strand oder am Wegesrand â stets so drapiert, dass man sie nicht übersehen kann! Auf der Stirn werden sie gezeichnet, sodass die Angst sich bei jedem verbreitet, der das sieht.« Das Gesicht des Vogtes wandelte sich. Ein Ausdruck tief empfundenen Grimms breitete sich darin aus. Harte Linien bildeten sich, die seine Züge wie versteinert wirken lieÃen.
»Ihr scheint einen sehr persönlichen Groll gegen diese Leute zu hegen«, stellte Erich fest, der nun auf den Vogt zuging â barfuà und in den Lumpen eines Knechts, doch selbst jetzt noch die Würde eines Ritters ausstrahlend.
»Meinen Sohn haben sie umgebracht, diese verlausten Hunde â nur weil ich mich nicht an ihren Machenschaften beteiligen wollte! Falls ich darauf eingegangen wäre, hätten mich die Ordensritter am nächsten Baum aufgehängt â so musste mein Sohn für meine Ehrenhaftigkeit zahlen. Ich wünsche Euch sehr, dass Ihr nicht auch eines Tages vor eine solche Frage gestellt werdet! Jetzt ist nur noch Hass in mir, und es ist mir gleichgültig, ob diese Schurken mich eines Tages umbringen und mein gezeichnetes Haupt gegen einen der Hengstschädel austauschen, die hier an den Giebeln hängen mögen.«
»Für das, was Euch widerfahren ist, habt Ihr mein tiefes Mitgefühl«, sagte Erich.
»Wie glücklich müsst Ihr sein, wenn Ihr das noch zu empfinden imstande seid â denn ich empfinde gar nichts mehr«, erwiderte der Vogt.
Er drehte sich um und ging hinaus.
Erich trat zur Tür, blickte ihm nach und beobachtete, wie der Vogt und sein Trupp ihren Pferden die Sporen gaben, um den am Strand ausgeschwärmten Dorfbewohnern hinterherzukommen.
Bald konnte man ihn roh und heiser kurische Worte über den Strand schreien hören.
Wehe dem Bernsteinsammler, der den Hass herausforderte, der sich in diesem Mann angestaut hatte und nur darauf wartete, zum Ausbruch zu kommen!, dachte Barbara. »Glaubt Ihr, der Vogt hat mich tatsächlich für Euren Knappen gehalten?«, fragte sie später, als Erich sich wieder ihr zugewandt hatte.
Er zuckte die Achseln. »Ich weià es nicht. Aber das soll uns nicht weiter kümmern! Morgen sind wir fort, und wenn ich jemandem glaube, dass er mit den Schmugglern und diesem Ring der schwarzen Kreuze nichts zu tun hat, dann ist er es. Sein Hass war nicht gespielt.«
»So etwas vermögt Ihr zweifelsfrei zu erkennen?«
»Auf Schlachtfeldern lernt man schnell, die Leichenfledderer von den Klagenden zu unterscheiden, Barbara«, beteuerte Erich düster. »Das könnt Ihr mir ruhig glauben.«
»Das mag wohl sein. Um diese Erfahrung beneide ich Euch nicht.«
Â
Erst spät am Abend kamen die Dörfler zurück, und die Gehilfen des Vogtes durchsuchten jeden, der mitgesammelt hatte, nach Bernsteinstücken, die vielleicht in der Kleidung versteckt worden waren. Jeder, der dabei erwischt
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