Die Berufung
Court eingereicht worden, um sie so schnell wie möglich ablehnen zu lassen. Eine Anhörung am Circuit Court würde noch länger dauern. Ein Verfahren an einem Bundesgericht würde in die völlig falsche Richtung gehen.
»Fahren Sie fort«, sagte Shingleton.
Der radikale Anwalt fing an, gegen das County, den Staat und die Gesellschaft im Allgemeinen zu wettern. Seine Sätze kamen als kurze, schnelle Salven, die viel zu laut für den kleinen Raum waren, und viel zu schrill, um sie sich länger als zehn Minuten anzuhören. Er fand kein Ende. Die Gesetze des Staates seien rückständig und ungerecht und diskriminierend für seine Mandanten, denn die könnten einander nicht heiraten. Warum verweigerte man zwei mündigen schwulen Erwachsenen, die sich liebten und alle Rechte und Pflichten einer Ehe miteinander teilen wollten, die Privilegien und Rechte, die zwei Heterosexuelle genossen? Er brachte es fertig, diese Frage mindestens achtmal in unterschiedlicher Form zu stellen.
Das liege daran, erklärte eine der jungen Damen, die das County vertraten, dass die Gesetze des Staates so etwas nicht erlaubten. Die Verfassung des Staates räume der Legislative das Recht ein, eigene Gesetze hinsichtlich Ehe, Scheidung und so weiter zu erlassen, und diese Autorität habe niemand sonst. Falls die Legislative gleichgeschlechtliche Ehen erlaube, könnten Mr Meyerchec und Mr Spano ihr Vorhaben selbstverständlich in die Tat umsetzen.
»Erwarten Sie, dass die Legislative dies in Bälde tun wird?«, fragte Shingleton mit unbewegtem Gesicht.
»Nein«, lautete die Antwort, die postwendend kam und für einige Lacher sorgte.
Der radikale Anwalt entgegnete mit dem etwas merkwürdigen Argument, die Legislative, insbesondere »unsere« Legislative, erlasse jedes Jahr Gesetze, die von den Gerichten aufgehoben würden. Das sei schließlich die Aufgabe der Judikative! Nachdem er laut und deutlich auf diesen Umstand hingewiesen hatte, wiederholte er ihn mehrmals in jeweils leicht anderer Formulierung.
Nach einer Stunde hatte Shingleton genug. Ohne Sitzungspause und ohne einen Blick auf seine Notizen traf er eine Entscheidung, die kurz und bündig war. Seine Aufgabe sei es, den Gesetzen des Staates Mississippi zu folgen, und wenn diese Gesetze eine Ehe zwischen zwei Männern oder zwei Frauen oder zwei Männern und einer Frau oder einer Kombination, die anders war als ein Mann und eine Frau, verböten, dann habe er als Richter keine andere Wahl, als die Klage abzuweisen.
Vor dem Gerichtsgebäude machte der radikale Anwalt, der von Meyerchec und Spano flankiert wurde, mit seinem Gekreische für die Presse weiter. Er fühle sich ungerecht behandelt. Seine Mandanten fühlten sich ungerecht behandelt, obwohl einigen der Reporter auffiel, dass die beiden nicht empört, sondern ausgesprochen gelangweilt aussahen.
Sie wollten Berufung vor dem Supreme Court von Mississippi einlegen. Sofort. Und da die Agentur Troy-Hogan von Boca Raton aus sämtliche Rechnungen beglich, machten sie sich auch gleich auf den Weg.
23
In den ersten vier Monaten war der Wahlkampf zwischen Sheila McCarthy und Ron Fisk ausgesprochen zivil gewesen. Clete Coley dagegen hatte mit jeder Menge Dreck um sich geworfen, doch wegen seines ungepflegten Äußeren und seiner sperrigen Persönlichkeit fiel es den Wählern schwer, ihn sich als Richter am Supreme Court vorzustellen. Obwohl er in Rineharts Umfragen immer noch zehn Prozent der Stimmen bekam, ging er immer seltener auf Wahlkampftour. Nat Lesters Umfrage gestand ihm fünf Prozent zu, doch diese Umfrage war nicht so detailliert gewesen wie die Rineharts.
Nach Labor Day, als es nur noch zwei Monate bis zur Wahl waren und die heiße Phase des Wahlkampfs begann, tat Fisks Kampagne den ersten Schritt in Richtung Gosse. War sie erst einmal auf diesem Kurs, gab es kein Zurück mehr.
Barry Rinehart hatte diese Taktik schon bei anderen Kampagnen perfektioniert. Eine Organisation namens Lawsuit Victimsfor Truth verschickte an sämtliche registrierten Wähler ein Direktmailing. Auf der ersten Seite sprang dem Leser die Frage entgegen: »Warum finanzieren die Prozessanwälte Sheila McCarthy?« Die vierseitige Schmähschrift machte erst gar nicht den Versuch, diese Frage zu beantworten. Stattdessen wurden die Prozessanwälte an den Pranger gestellt.
Zunächst wurde am Beispiel eines Hausarztes behauptet, Prozessanwälte und deren leichtfertig erhobene Schadenersatzklagen seien der Grund für viele der Probleme im Gesundheitssystem
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