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Die Berufung

Titel: Die Berufung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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des Staates. Ärzte, die unter dem Damoklesschwert einer ungerechtfertigten Klage arbeiteten, seien gezwungen, teure Tests und Diagnosen durchzuführen, die die Kosten der medizinischen Versorgung in die Höhe trieben. Ärzte müssten exorbitant hohe Prämien für Versicherungen gegen Kunstfehler zahlen, um sich vor betrügerischen Rechtsstreitigkeiten zu schützen. In einigen Staaten gebe es Ärzte, die das Handtuch geworfen und ihre Praxis aufgegeben hätten, sodass ihre Patienten jetzt ohne medizinische Versorgung dastünden. Ein Arzt (ohne Angabe des Wohnorts) wurde mit den Worten zitiert: »Ich konnte die Versicherungsprämien nicht mehr zahlen und hatte es satt, stundenlang aussagen und in Gerichtssälen herumsitzen zu müssen. Ich habe einfach aufgehört. Um meine Patienten mache ich mir immer noch Sorgen.« Ein Krankenhaus in West Virginia habe nach einem himmelschreienden Urteil schließen müssen. Die Schuld daran trage ein gieriger Prozessanwalt.
    Dann ging es ans Scheckbuch. Einer Untersuchung zufolge kosteten die überhandnehmenden Prozesse den durchschnittlichen amerikanischen Haushalt eintausendachthundert Dollar im Jahr. Diese Belastung sei eine direkte Folge von höheren Versicherungsprämien für Autos und Eigenheime sowie höheren Preisen von eintausend Haushaltsprodukten, deren Hersteller man kontinuierlich verklage. Medikamente -sowohl rezeptpflichtige als auch nicht rezeptpflichtige - seien ein perfektes Beispiel. Sie wären um fünfzehn Prozent billiger, wenn die Prozessanwälte die Hersteller nicht ständig mit großen Sammelklagen überziehen würden.
    Im Anschluss wurde der Leser mit einigen der kontroversesten Urteile des Landes geschockt, und zwar mittels einer oft verwendeten, bewährten Liste, die garantiert immer für Empörung sorgte. Eine Fast-Food-Kette habe drei Millionen Dollar für verschütteten heißen Kaffee zahlen müssen; ein Autohersteller einhundertzehn Millionen Dollar für eine mangelhafte Lackierung; der Besitzer eines eingezäunten und mit einem Vorhängeschloss gesicherten Swimmingpools fünfzehn Millionen. Und so ging es weiter. Die Welt sei aus den Fugen geraten und werde von hinterhältigen Prozessanwälten an der Nase herumgeführt.
    Nachdem drei Seiten lang Feuer gespuckt wurde, kam auf Seite vier noch ein großer Knall. Vor fünf Jahren war Mississippi von einer wirtschaftsfreundlichen Vereinigung als »juristischer Sumpf« bezeichnet worden. Diese Ehre teilte es sich mit lediglich vier anderen Staaten, und wenn der Com- merce Council nicht gewesen wäre, hätte man die ganze Sache schnell wieder vergessen. Die Organisation stürzte sich auf die Nachricht und wiederholte sie in Zeitungsanzeigen bis zum Erbrechen. Jetzt holte man die Meldung von damals wieder aus der Versenkung. Lawsuit Victimsfor Truth zufolge hätten die Prozessanwälte das Gerichtssystem in Mississippi derart missbraucht, dass der Staat inzwischen ein Abladeplatz für alle möglichen großen Prozesse sei. Einige Kläger würden ganz woanders leben. Viele Prozessanwälte würden ganz woanders leben. Sie würden so lange nach dem für sie günstigsten Gerichtsstand suchen, bis sie ein freundlich gesinntes County mit einem freundlich gesinnten Richter fänden, und dann ihre Fälle einreichen. Das Ergebnis seien Urteile mit enormen Summen als Schadenersatz. Der Staat habe inzwischen einen zweifelhaften Ruf, und deshalb würden viele Unternehmen einen großen Bogen um Mississippi machen. Dutzende Fabriken seien dichtgemacht und in andere Staaten verlagert, Tausende Jobs vernichtet worden.
    An allem seien die Prozessanwälte schuld, die Sheila McCarthy und ihre klägerfreundliche Einstellung natürlich heiß und innig liebten und jede Summe aufbringen würden, um sie im Amt zu halten.
    Der Brief endete mit einem Aufruf zur Vernunft. Ron Fisk wurde mit keinem Wort erwähnt.
    Anschließend wurde das Pamphlet mittels E-Mail an weitere fünfundsechzigtausend Adressen im Bezirk verschickt. Innerhalb weniger Stunden hatten die Prozessanwälte die E-Mail aufgeschnappt und sie an alle achthundert Mitglieder des MTA weitergeleitet.
    Nat Lester war begeistert von der E-Mail. Als Wahlkampfleiter war ihm eine breit angelegte Unterstützung von vielen Gruppen lieber, doch die Realität war, dass die Prozessanwälte die einzigen großen Spender für Sheila McCarthy waren. Er wollte, dass sie verärgert waren; sie sollten Schaum vor dem Mund haben und sich vor Wut auf die Nägel beißen, sie sollten bereit sein,

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