Die Berufung
noch mehr zu zerstören als Heterosexuelle?«
»Versprechen Sie mir, dass Sie das nie in der Öffentlichkeit sagen werden. Bitte.«
»Ich behalte es für mich. Versprochen.«
Er rieb die Hände aneinander, dann fuhr er sich mit den Fingern durch sein langes graues Haar. Unentschlossenheit hatte man ihm noch nie vorwerfen können. »Wir müssen eine Entscheidung treffen. Jetzt. Sofort«, sagte er. »Wir dürfen keine Zeit verlieren. Am klügsten wäre es, mit einem Direkt -mailing zu antworten.«
»Was wird das kosten?«
»Wir können das Mailing eine Nummer kleiner machen. Ich würde sagen, zweihunderttausend Dollar.«
»Können wir uns das leisten?«
»Mit dem, was wir zurzeit auf dem Konto haben, wohl eher nicht. Lassen Sie uns in zehn Tagen noch einmal darüber reden.«
»Einverstanden, aber können wir nicht wenigstens eine E-Mail-Aktion starten, damit wir zumindest eine Reaktion zeigen?«
»Den Text dafür habe ich schon geschrieben.«
Ihre Antwort war eine aus zwei Absätzen bestehende Nachricht, die noch am gleichen Tag an achtundvierzigtausend E-Mail-Adressen verschickt wurde. Richterin McCarthy erteilte Ron Fisk einen gewaltigen Rüffel dafür, dass er seine Meinung zu diesem Fall öffentlich kundgetan habe. Wäre er Mitglied des Supreme Court gewesen, hätte er dafür einen Tadel bekommen. Die Würde des Gerichts verlange es, dass die Richter sämtliche Angelegenheiten vertraulich behandelten und sich jeglichen Kommentars zu anhängigen Verfahren enthielten. Darüber hinaus seien zu dem erwähnten Fall noch gar keine Schriftsätze für eine Berufung eingereicht worden. Es sei keine Beweisführung erfolgt. Bis jetzt liege dem Gericht noch gar nichts vor. Wie könne da Mr Fisk oder jemand anders eine Entscheidung treffen, ohne die Fakten oder das Gesetz zu kennen?
Das alles sei leider nur ein weiterer Beweis dafür, wie unerfahren Mr Fisk in gerichtlichen Angelegenheiten sei.
Clete Coleys Verluste auf der Lucky Jack häuften sich, und eines Abends, in einem Saloon in Underthe-Hill, vertraute er das Mariin an. Mariin war in die Stadt gekommen und wollte ein ernstes Wörtchen mit seinem Kandidaten reden, der den Wahlkampf inzwischen einfach ignorierte.
»Ich habe eine großartige Idee«, sagte Mariin, der dabei an den eigentlichen Grund seines Besuchs dachte. »An der Golfküste gibt es vierzehn Kasinos, eines größer und schöner als das andere. Wie in Las Vegas ...«
»Ich weiß, wie sie aussehen.«
»Ahm, ja. Ich kenne den Mann, dem das Pirate's Cove gehört. Sie können im nächsten Monat dreimal die Woche dort übernachten, Penthouse-Suite, toller Blick aufs Meer. Sie können die ganze Nacht lang Karten spielen, und tagsüber machen Sie ein bisschen Wahlkampf. Die Leute da unten wollen Sie kennenlernen. Dort sind die Stimmen. Ich kann ein paar Auftritte organisieren. Ihre Rede ist großartig, sie kommt gut an.«
Clete war begeistert von der Idee. »Dreimal die Woche?«
»Wenn Sie wollen auch öfter. Das Kasino hier hängt Ihnen doch sicher schon zum Hals raus.«
»Nur, wenn ich verliere.«
»Tun Sie's, Clete. Die Leute, die Ihren Wahlkampf finanzieren, wollen was für ihr Geld sehen. Sie wissen, dass Sie wahrscheinlich nicht gewinnen werden, aber ihr Anliegen soll trotzdem unters Volk gebracht werden.«
Clete gab zu, dass die Idee großartig war. Er bestellte noch einen Rum und fing an, über die vielen schönen Kasinos an der Küste nachzudenken.
24
Im fünfundzwanzigsten Stock des höchsten Gebäudes von Mississippi stiegen Mary Grace und Wes aus dem Fahrstuhl und betraten den repräsentativen Empfang der größten Anwaltskanzlei des Staates. Sofort fielen ihr die Tapete, die gediegenen Möbel, die Blumenarrangements auf, Dinge, die früher auch ihnen wichtig gewesen waren.
Die gut angezogene Empfangsdame war hinreichend höflich. Ein Mitarbeiter im obligatorischen marineblauen Anzug und mit schwarzen Schuhen führte sie zu einem Konferenzraum, wo sie von einer Sekretärin gefragt wurden, ob sie etwas zu trinken wollten. Nein, wollten sie nicht. Die großen Fenster boten eine großartige Sicht auf Jackson. Die Kuppel des Regierungsgebäudes dominierte den Blick. Zur Linken war das Carroll-Gartin-Gebäude, und dort lag in irgendeinem Büro auf irgendeinem Schreibtisch der Fall Baker gegen Krane Chemical.
Die Tür ging auf, herein kam Alan York, mit einem breiten Lächeln auf dem Gesicht und einem festen Händedruck. Er war Ende fünfzig, klein und rundlich und wirkte ein bisschen
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