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Die Berufung

Titel: Die Berufung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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hinter der Chemiefabrik verschwinden lassen, ohne mit Konsequenzen rechnen zu müssen.«
    »Jetzt hat Krane die Produktion nach Mexiko verlagert...«
    »Genau, wo sie weiter Pillamar 5 produzieren und die Abfallprodukte in Gruben hinter der Fabrik verschwinden lassen. Und kein Mensch schert sich darum. Da unten gibt es solche Verfahren nicht.«
    »Wie schätzen Sie Ihre Erfolgschancen bei der Berufung ein?«
    Sie trank einen Schluck von dem abgestandenen, stark gesüßten Kaffee und wollte gerade antworten, als ein Versicherungsagent an ihren Tisch kam, ihr die Hand gab, sie umarmte und sich mehrfach bedankte. Als er sich verabschiedete, schien er kurz davor zu stehen, in Tränen auszubrechen. Dann betrat Mr Greenwood, der mittlerweile pensionierte Direktor ihrer Highschool, das Lokal. Er erblickte sie und erdrückte sie fast, als er sie umarmte. Für Shepard hatte er keinen Blick, als er einen Vortrag darüber hielt, wie stolz er auf sie sei. Nach Dankesworten und dem Versprechen, sie in seine Gebete einzuschließen, erkundigte er sich nach ihrer Familie. Darauf folgten weitere Fragen, und als er nach einer pathetischen Verabschiedung verschwand, kam Babe an ihren Tisch, die Eigentümerin des Lokals. Die nächste Umarmung, ein Schwall von Glückwünschen.
    Irgendwann stand Shepard auf und ging nach draußen. Ein paar Minuten später folgte ihm Mary Grace. »Entschuldigen Sie. Es ist ein großer Tag für die Stadt.«
    »Man ist sehr stolz auf Sie.«
    »Zeit für den Ortstermin.«
    Die Chemiefabrik - offizieller Name Krane Chemical Bowmore Plant Number Two - stand in einem verlassenen Industriegebiet östlich der Stadtgrenze. Betongebäude mit Flachdächern, durch dicke Rohre und Förderanlagen verbunden, dahinter Wassertürme und Silos. Alles war mit Kletterpflanzen oder Unkraut überwuchert. Wegen des Prozesses hatte Krane das Gelände mit einem kilometerlangen, über drei Meter hohen Maschendrahtzaun mit glänzendem Stacheldraht darauf gesichert. Die schweren Stahltore waren mit Ketten und Vorhängeschlössern versehen. Man fühlte sich an ein Gefängnis erinnert, in dem verwerfliche Dinge geschahen. Hier wie dort wollte man die Außenwelt ausschließen und Geheimnisse für sich behalten.
    Während des Verfahrens war Mary Grace mindestens ein Dutzend Mal hier gewesen, immer mit mehreren anderen Personen - Anwaltskollegen, Ingenieuren, ehemaligen Krane-Mitarbeitern. Einmal sogar mit Richter Harrison. Der letzte Besuch hatte vor zwei Monaten stattgefunden, weil die Geschworenen sich vor Ort umsehen wollten.
    Sie blieb mit Shepard vor dem Haupttor stehen und studierte die Vorhängeschlösser. Daneben hing ein großes, verwittertes Schild mit dem Namen der Chemiefabrik und des Eigentümers. »Vor sechs Jahren«, sagte sie, »als auch Krane nicht mehr übersehen konnte, dass eine Klage unausweichlich war, wich das Unternehmen nach Mexiko aus. Die Arbeitnehmer, von denen viele dreißig Jahre hier geschuftet hatten, wurden erst drei Tage vorher informiert und mit einer Abfindung von fünfhundert Dollar abgespeist. Es war eine unglaublich dumme Methode, sich aus dem Staub zu machen, weil viele dieser ehemaligen Arbeitnehmer während des Prozesses unsere besten Zeugen waren. Das Ausmaß der Verbitterung war und ist erstaunlich. Falls das Unternehmen in Bowmore je Freunde gehabt haben sollte, hat es sie spätestens verloren, als es seine Arbeiter so mies behandelte.«
    Shepards Fotograf hatte sich mit ihnen am Tor verabredet und fing sofort zu knipsen an, als er eintraf. Mary Grace ging vor, und sie schlenderten an dem Zaun entlang. »Jahrelang konnte jeder ungehindert das Werksgelände betreten«, sagte sie. »Hier haben sich mehr als einmal Vandalen ausgetobt. Teenager hingen hier herum, ließen sich volllaufen und nahmen Drogen. Jetzt halten sich die Leute so weit wie möglich von der Fabrik entfernt. Die verschlossenen Tore und der Zaun sind eigentlich überflüssig. Niemand will dem Ort zu nahe kommen.«
    Aus nördlicher Richtung sah man in der Mitte des Areals eine lange Reihe massiver Stahltanks. Mary Grace zeigte darauf. »Das da wurde Extrnction Unit Two genannt. In diesen Tanks wurde das als Nebenprodukt anfallende Bichloronylen gelagert. Ein Teil davon wurde vorschriftsmäßig entsorgt, das meiste aber in die Wälder da hinten gebracht, ganz am Ende des Werksgeländes, und dort in Gräben gekippt.«
    »Proctors Müllkippe.«
    »Ja, Mr Proctor war für die Entsorgung verantwortlich. Er starb an Krebs, bevor wir ihn

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