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Die Berufung

Titel: Die Berufung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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auf 1,3 Milliarden gefallen. Mr Trudeaus persönlicher Verlust betrug bei einem Aktienpaket von fünfundvierzig Prozent ungefähr 850 Millionen. Bard rechnete schnell die Verluste der anderen sechs Unternehmen zusammen und kam zu dem Resultat, dass sein Boss an einem Tag 1,1 Milliarden Dollar verloren hatte. Kein Rekord, aber wahrscheinlich katastrophal genug, um Carl in irgendeine Top-Ten-Liste zu katapultieren.
    Nach einem kurzen Blick auf den Tagesabschluss befahl er Bard und Ratzlaff, ihre Sakkos anzuziehen, die Krawattenknoten zu justieren und ihm zu folgen.
    Vier Stockwerke tiefer, in der Unternehmensetage von Krane Chemical, hockten die Führungskräfte in einem eigens für sie reservierten kleinen Speiseraum. Das Essen war in der Regel nicht besonders schmackhaft, der Blick aus dem Fenster dafür umso beeindruckender. Um die Mittagszeit hatte an diesem Tag niemand Appetit gehabt. Jetzt saßen sie seit einer Stunde hier, total geschockt und in Erwartung eines Donnerwetters aus dem obersten Stock. Eine Massenbeerdigung wäre ein weniger trübseliges Ereignis gewesen. Aber Mr Trudeau schaffte es, die Stimmung aufzuhellen. Er marschierte zielstrebig in den Raum, seine beiden Lakaien im Schlepptau - Bard hatte ein wie eingefroren wirkendes Grinsen aufgesetzt, Ratzlaff war ganz blass um die Nasenspitze. Statt sie anzuschnauzen, bedankte sich Mr Trudeau bei seinen Männern (Frauen waren nicht darunter) für ihre harte Arbeit und ihre Loyalität gegenüber dem Unternehmen.
    »Gentlemen, dies ist kein besonders guter Tag«, sagte er mit einem gewinnenden Lächeln. »Wir werden uns lange an ihn erinnern.« Seine Stimme klang jovial - nur eine weitere Stippvisite des großen Bosses. »Aber Gott sei Dank ist er überstanden, und wir sind nicht k. o. gegangen. Ab morgen teilen wir richtig aus.«
    Ein paar verunsicherte Blicke, ein oder zwei Männer lächelten. Die meisten rechneten damit, auf der Stelle gefeuert zu werden.
    »An diesem historischen Tag möchte ich dreierlei festhalten«, fuhr Carl fort. »Erstens, niemand verliert seinen Job. Zweitens, Krane Chemical wird dieses Fehlurteil überleben. Und drittens habe ich nicht vor, diesen Kampf zu verlieren.«
    Er war die Inkarnation des zuversichtlichen Bosses, der seine Leute um sich schart. Mit gespreiztem Zeige- und Mittelfinger und einer dicken Zigarre hätte man ihn für Churchill auf dem Höhepunkt seiner Laufbahn halten können. Er befahl seinen Leuten, den Kopf nicht hängen zu lassen, neuen Mut zu fassen und so weiter.
    Selbst Bobby Ratzlaff fühlte sich allmählich besser.
     
    Zwei Stunden später schickte Carl Ratzlaff und Bard nach Hause. Er brauchte Zeit zum Nachdenken, wollte seine Wunden lecken, einen klaren Kopf bekommen. Da war es hilfreich, sich einen Scotch zu mixen und die Schuhe auszuziehen. Irgendwo hinter New Jersey ging die Sonne unter -ein unvergesslicher Tag näherte sich seinem Ende.
    Er schaute auf den Computermonitor und checkte die Liste der eingegangenen Anrufe. Brianna hatte sich viermal gemeldet, doch es konnte nichts Dringendes gewesen sein. Andernfalls hätte seine Sekretärin einen Anruf statt mit »Brianna« mit »Ihre Frau« markiert. Er würde später bei ihr anrufen. Im Moment war er nicht in der richtigen Stimmung, um sich ihre Tageszusammenfassung anzuhören.
    Die Liste belief sich auf über vierzig Anrufe, und Nummer achtundzwanzig fiel ihm auf. Senator Grott aus Washington. Carl kannte ihn nur flüchtig, doch jeder wichtige Unternehmensboss wusste, wer »der Senator« war. Grott war dreimal als Vertreter des Bundesstaates New York in den Senat gewählt worden, bevor er sich freiwillig aus der Politik zurückgezogen hatte. Anschließend war er in eine renommierte Kanzlei eingetreten, wo er ein Vermögen gemacht hatte. Er war Mr Washington, der Inbegriff des Insiders, der erfahrene Anwalt und Berater mit Büros an der Wall Street und der Pennsylvania Avenue. Und wo es ihm sonst noch gefiel. Er hatte mehr Kontakte als irgendwer sonst, spielte oft Golf mit dem jeweiligen Präsidenten, reiste um die Welt, um noch mehr Beziehungen zu knüpfen, beriet nur die Mächtigen und wurde allgemein als das wichtigste Bindeglied zwischen der amerikanischen Großindustrie und der Regierung angesehen. Wenn der Senator sich meldete, rief man zurück, selbst wenn man gerade um eine Milliarde Dollar ärmer geworden war. Grott wusste, wie viel er verloren hatte, und machte sich offenbar Gedanken.
    Carl wählte seine Privatnummer. Nach achtmaligem

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