Die Berufung
Manschettenknöpfe ab, rollte die Ärmel hoch, lockerte die Krawatte und lümmelte sich in seinen Stuhl. Dann nahm er einen Schluck von seinem Scotch. »Kennen Sie die Geschichte von Senator Rudd und der Umweltschutzbehörde?«, fragte er, wohl wissend, dass keine fünf Personen darüber Bescheid wussten.
»Nein«, erwiderte Rinehart, an seiner Krawatte ziehend.
»Vor sieben, acht Jahren, noch vor Beginn des Gerichtsverfahrens, tauchte plötzlich die Umweltschutzbehörde in Bowmore auf. Die Einheimischen hatten schon jahrelang Beschwerden eingereicht, aber beim Umweltschutz mahlen die Behördenmühlen bekanntlich besonders langsam. Sie stocherten überall herum, machten ein paar Tests, wurden neugierig und dann richtig sauer. Wir konnten das alles aus nächster Nähe beobachten, weil wir Leute in der Behörde sitzen haben. Vielleicht sind wir mit unserem Müll ein wenig schlampig umgegangen, ich habe keine Ahnung, auf jeden Fall reagierten die Bürokraten gereizt. Drohten mit polizeilichen Ermittlungen, Anrufung der Bundesstaatsanwaltschaft, Maßnahmen der übelsten Sorte. Sie waren drauf und dran, mit allen möglichen Forderungen an die Öffentlichkeit zu gehen -eine Entsorgungsaktion für mehrere Millionen Dollar, dazu horrende Geldstrafen, vielleicht sogar die Schließung des Werks. Ein Mann namens Gabbard war damals CEO bei Krane; er ist nicht mehr dabei, aber er war einer von den guten Leuten, einer mit viel Überzeugungskraft. Ich schickte also Gabbard mit einem Blankoscheck, besser gesagt, mit mehreren Blankoschecks, nach Washington. Er traf sich mit unseren Lobbyisten und gründete ein neues Aktionskomitee, das wie viele andere vordergründig dazu bestimmt war, die Interessen der Chemie- und Kunststoff Industrie zu vertreten. Sie arbeiteten einen Plan zur Schadensbegrenzung aus, in dem Senator Rudd die zentrale Rolle spielte. Wir wussten, für ihn würde es ein Kinderspiel sein, die Umweltschutzbehörde in die Wüste zu schicken - so wie man ihn im Süden unten fürchtet. Außerdem sitzt er seit einhundert Jahren im Haushaitsausschuss. Wenn die vom Umweltschutz drohten, ihm an den Karren zu fahren, würde Rudd einfach drohen, ihnen die Mittel zu kappen. Es war einerseits kompliziert, andererseits sehr einfach. Hinzu kam, dass Rudd in Mississippi mehr Kontakte und Einfluss hat als irgendjemand sonst, schließlich ist es schon immer sein Revier gewesen. Unser frisch gegründetes Aktionskomitee lud Rudd also fürstlich zum Essen ein, und er wusste sofort, was die Stunde geschlagen hat. Er ist ein Einfaltspinsel, aber er spielt das Spiel schon so lange mit, dass er fast alle Regeln selbst aufgestellt hat.«
Teller voller Nudeln und Shrimps kamen, die aber unbeachtet blieben. Man bestellte noch eine Runde Scotch.
»Rudd beschloss, dass er eine Million Dollar für sein Wahlkampfkonto brauchte, und wir schleusten das Geld durch sämtliche Scheinunternehmen und Briefkastenfirmen, die ihr Jungs gern zur Verschleierung benutzt. Zum Glück hat der Kongress Wahlkampfspenden erlaubt, sonst hätte man es glatt Bestechung nennen müssen. Damit war Rudd aber noch nicht zufrieden. Er hat wohl einen etwas zurückgebliebenen Enkel, der einen krankhaften Elefantentick hat. Das Kind ist ganz verrückt auf Elefanten. Hat alle Wände voll mit Bildern. Schaut sich Dokus an, et cetera, et cetera. Und so wollte der Senator gern auf Safari gehen, auf eine Erste-Klasse-Vier-Sterne-Afrikasafari, versteht sich, damit er seinem Enkel die Elefanten mal in echt zeigen kann. Alles kein Problem. Dann beschloss er, dass die ganze Familie mitfahren wollte, und unsere Lobbyisten organisierten auch das. Am Ende waren es achtundzwanzig Personen, zwei Privatjets, zwei Wochen afrikanischer Busch mit Dom Perignon, Hummer und Steaks und natürlich jeder Menge Elefanten. Die Rechnung belief sich auf knapp dreihundert Riesen, und er hat nie erfahren, dass ich alles bezahlt habe.«
»Ein Schnäppchen.«
»Absolut. Er zeigte der Umweltschutzbehörde kurz, wer der Herr im Haus ist, und schon ward sie in Bowmore nie wieder gesehen. Angenehmer Nebeneffekt: Senator Rudd ist jetzt Experte für Afrika. Aids, Völkermord, Hungersnöte, Menschenrechtsverletzungen - was immer Sie wollen, er kennt sich aus, weil er mal zwei Wochen in Kenia im Busch mit dem Landrover unterwegs war, um Elefanten zu beobachten.«
Sie lachten und wandten sich erstmals ihren Nudeln zu. »Hatten Sie seit Beginn des Verfahrens schon einmal Kontakt zu ihm?«, erkundigte sich
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