Die Berufung
Akte über Ron Fisk, aber er war neugierig auf seine Stimme, auf seine Augen und Hände, auf seine Antworten. War er ausreichend fotogen, telegen, gut angezogen, attraktiv? Klang er klug oder einfältig? Machte es ihn nervös, vor einer solchen Gruppe zu stehen, oder eher ruhig und zuversichtlich? Würde er sich gut vermarkten lassen?
Nach fünfzehn Minuten war Rinehart überzeugt. Einziger Minuspunkt an Ron Fisks Präsentation war ein leichter Anflug von Nervosität - aber das war nichts Ungewöhnliches. Wenn man einen Mann aus einem Kaff wie Brookhaven holte, um ihn in einer fremden Großstadt vor eine Versammlung fremder Menschen zu stellen, dann musste man damit rechnen, dass er sich gelegentlich verhaspelte. Nette Stimme, nettes Gesicht, hübscher Anzug. Rinehart hatte schon mit schlechterem Material gearbeitet.
Dabei würde er Ron Fisk niemals persönlich begegnen. In keiner von Barry Rineharts Kampagnen hatte der Kandidat jemals die leiseste Ahnung gehabt, wer im Hintergrund die Fäden zog.
Auf dem Heimflug bestellte Zachary einen Whiskey Sour und versuchte vergeblich, auch Ron einen Cocktail aufzuschwatzen. Es sei doch der perfekte Rahmen für einen Drink - ein Luxusjet, eine bildschöne junge Dame als Barkeeper, das Ende eines langen, anstrengenden Tages. Niemand sehe etwas oder werde je davon erfahren.
»Danke, nur Kaffee«, beharrte Ron. Perfekter Rahmen hin oder her, er wusste genau, dass er immer noch unter Beobachtung stand. Außerdem war er ohnehin Abstinenzler.
Nicht dass Zachary ein notorischer Trinker gewesen wäre. Er nahm ein paar Schlucke, lockerte die Krawatte und ließ sich in seinem Sitz nach unten rutschen. »Es gibt Gerüchte«, sagte er schließlich, »dass diese McCarthy ganz gern zu tief ins Glas schaut.«
Ron zuckte nur die Schultern. Das Gerücht war nicht bis Brookhaven vorgedrungen. Er nahm an, dass ohnehin mindestens fünfzig Prozent der Leute dort nicht einen der drei Richter aus ihrem Bezirk mit Namen kannten, geschweige denn deren Laster oder Tugenden.
Nach einem weiteren Schluck fuhr Zachary fort. »Ihre beiden Eltern waren Alkoholiker. Aber sie stammten von der Küste, da ist das ja nichts Ungewöhnliches. Ihre Lieblingskneipe ist ein Klub namens Tuesday nicht weit vom See. Schon mal davon gehört?«
»Nein.«
»Eine Art Tauschbörse für Swinger mittleren Alters, habe ich mir sagen lassen. Bin selber nie da gewesen.«
Ron biss nicht an, im Gegenteil. Er machte den Eindruck, als langweilte ihn Klatsch dieser Art. Aber das beunruhigte Zachary nicht. Es kam ihm sogar durchaus gelegen. Der Kandidat sollte ruhig in höheren Sphären weilen. Mit Dreck konnten andere werfen.
»Wie lange kennen Sie Senator Rudd schon?«, wollte Ron wissen, um das Thema zu wechseln.
»Schon sehr lange.« Den Rest des kurzen Fluges verbrachten sie damit, sich über den großen Senator und dessen schillernde Karriere zu unterhalten.
Ron raste regelrecht nach Hause, immer noch ganz benommen von der berauschenden Nähe zur Macht, die er an diesem Tag gespürt hatte. Doreen wartete gespannt auf die Einzelheiten. Sie aßen aufgewärmte Spaghetti, während die Kinder ihre Hausaufgaben erledigten und sich fürs Bett fertig machten.
Sie hatte viele Fragen, und Ron fielen manche Antworten nicht leicht. Wie kam es, dass so viele verschiedene Gruppen bereit waren, in einen unbekannten und vollkommen unerfahrenen Mann so viel Geld zu investieren? Weil sie eine Mission hätten, hielt er dagegen. Weil sie kluge, untadelige junge Männer ohne die Altlasten früherer Entscheidungen bevorzugten. Wenn er Nein sagte, würden sie eben einen anderen nehmen. Sie seien fest entschlossen zu gewinnen, um am Gericht aufzuräumen. Es sei eine nationale Bewegung, und zwar eine kritische.
Dass ihr Mann allein mit Senator Myers Rudd gegessen hatte, ließ die letzte Skepsis schwinden. Sie würden einen folgenreichen Sprung in das kalte Wasser der Politik wagen, und sie würden gewinnen.
14
Barry Rinehart nahm den Shuttlebus zum LaGuardia Airport und von dort einen Privatwagen zum Mercer-Hotel in SoHo. Er checkte ein, duschte und zog einen Wollanzug an, weil Schnee vorausgesagt war. Dann holte er an der Rezeption ein Fax ab und ging acht Häuserblocks bis zu einem kleinen vietnamesischen Restaurant unweit vom Village, das noch in keinem Reiseführer aufgeführt war. Mr Trudeau schätzte es für diskrete Treffen. Es war leer, er war zu früh, und so setzte er sich an die Bar und bestellte sich einen
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