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Die Berufung

Titel: Die Berufung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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gehört?«
    »Nein.« Ron kannte mehrere Anwälte in Natchez, aber nicht diesen.
    »Ich auch nicht. Wir führen gerade eine Hintergrundüberprüfung durch. Das, was wir bis jetzt über ihn wissen, ist nicht gerade beeindruckend. Einzelanwalt, kein sonderlich guter Ruf, zumindest nicht als Anwalt. Vor acht Jahren wurde ihm für sechs Monate die Zulassung entzogen, es hatte irgendwas mit Verletzung der Sorgfaltspflicht gegenüber Mandanten zu tun. Zweimal geschieden. Keine Insolvenzverfahren. Eine Verurteilung wegen Alkohol am Steuer, ansonsten keine Vorstrafen. Das ist alles, was wir bis jetzt wissen, aber wir graben weiter.«
    »Was bedeutet das für uns?«
    »Ich habe keine Ahnung. Wir müssen abwarten. Ich rufe Sie an, wenn ich mehr weiß.«
    Ron setzte Joshs Freunde ab, dann fuhr er eilig nach Hause, um es Doreen zu sagen. Sie sprachen beim Abendessen darüber und blieben lange auf, um verschiedene Szenarien durchzuspielen.
    Um zehn Uhr am nächsten Morgen fuhr Clete Coley zur High Street und hielt direkt vor dem Carroll-Gartin-Gebäude. Hinter ihm waren zwei gemietete Vans. Alle drei Fahrzeuge standen im Parkverbot, was kein Wunder war, schließlich suchten ihre Fahrer ja nach Ärger. Aus den Vans stieg ein halbes Dutzend freiwillige Helfer aus und schleppte große Plakate über ein paar Stufen bis auf die weitläufige Betonfläche, die das Gebäude umgab. Ein anderer Helfer wuchtete ein grob zusammengezimmertes Podium nach oben.
    Als ein Polizist am Eingang das ungewöhnliche Treiben bemerkte, kam er herüber.
    »Ich gebe meine Kandidatur für den Supreme Court bekannt«, erklärte Clete mit dröhnender Stimme. Er wurde von zwei muskelbepackten jungen Männern in dunklen Anzügen flankiert, der eine weiß, der andere schwarz, beide fast so groß wie Clete selbst.
    »Haben Sie eine Genehmigung?«, fragte der Beamte.
    »Na klar. Vom Büro des Generalstaatsanwalts.«
    Der Polizist verschwand ohne große Eile. Hastig wurden die Plakate zusammengesetzt, sodass eine sechs Meter hohe und neun Meter lange Wand entstand, die nichts anderes zeigte als Gesichter. Highschool-Porträts, Schnappschüsse, Familienfotos, alle vergrößert und in Farbe. Die Gesichter der Toten.
    Während die Helfer noch aufgeregt durcheinanderliefen, kamen immer mehr Reporter an. Fernsehkameras wurden auf Stative gewuchtet, Mikrofone am Podium montiert. Fotografen begannen, Aufnahmen zu machen, und Clete war zufrieden. Noch mehr Helfer tauchten auf, einige mit selbst gemalten Plakaten, auf denen Sprüche standen wie: »Liberale abwählen«, »Unterstützt die Todesstrafe« und »Opfer haben auch eine Stimme«.
    Der Polizist war wieder da. »Ich kann niemanden finden, der etwas von Ihrer Genehmigung weiß«, sagte er zu Clete.
    »Sie haben mich gefunden, und ich sage Ihnen, dass ich eine Genehmigung habe.«
    »Von wem?«
    »Von einem der stellvertretenden Generalstaatsanwälte da drin.«
    »Wissen Sie, wie er heißt?«
    »Oswalt.«
    Der Polizist ging, um Mr Oswalt zu suchen.
    Die Aktivitäten erregten die Aufmerksamkeit der Menschen im Innern des Gebäudes, und die Arbeit kam völlig zum Erliegen. Blitzschnell machten Gerüchte die Runde, und als sich bis in den dritten Stock herumgesprochen hatte, dass da unten jemand seine Kandidatur für den Supreme Court bekannt geben wollte, ließen drei der Richter alles liegen und stehen und beeilten sich, an ein Fenster zu kommen. Die anderen sechs, deren Amtszeit erst in einigen Jahren zu Ende ging, schlössen sich ihnen aus Neugier an.
    Sheila McCarthys Büro ging auf die High Street hinaus, und bald schon drängten sich dort ihre Mitarbeiter, die mit einem Mal sehr beunruhigt wirkten. »Warum gehen Sie nicht runter und sehen nach, was da los ist?«, flüsterte sie Paul zu.
    Auch andere Angestellte des Gerichts und aus dem Büro des Generalstaatsanwalts begaben sich nach unten, und Clete war ganz begeistert von der Menschenmenge, die sich vor dem Podium versammelte. Der Polizist kam mit ein paar Kollegen wieder, und in dem Moment, in dem Clete seine Rede beginnen wollte, wurde er von einem der Beamten angesprochen. »Sir, wir müssen Sie bitten zu gehen.«
    »Einen Moment, Jungs. In zehn Minuten bin ich durch.«
    »Nein, Sir. Dies ist eine unerlaubte Versammlung. Sie werden sie sofort auflösen, andernfalls müssen wir zu anderen Mitteln greifen.«
    Clete trat einen Schritt vor und sah auf den erheblich kleineren Polizeibeamten hinunter. »Spielen Sie sich hier bloß nicht so auf, ja? Sie werden gerade

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