Die Berufung
ermutigend.
»Wie viel hat Ihr Wahlkampf gekostet?«, fragte Paul. Er hatte vor zwei Jahren beim Gericht angefangen, zu einer Zeit, als Richter McElwayne gerade heftig unter Beschuss gewesen war.
»1,4 Millionen«, erwiderte McElwayne.
Sheila lachte. »Auf dem Konto für meinen Wahlkampf liegen gerade mal sechstausend Dollar. Und das schon seit Jahren.«
»Ich hatte wenigstens einen ernst zu nehmenden Gegner«, fugte McElwayne hinzu. »Aber der Kerl ist ein Spinner.« »Die Spinner werden gewählt.«
Zwanzig Minuten später verfolgte Tony Zachary in seinem Büro vier Blocks weiter hinter verschlossener Tür Cletes Show. Mariin hatte alles auf Video aufgenommen, und es machte ihm sichtlich Spaß, das Ganze noch einmal zu sehen.
»Wir haben ein Monster geschaffen«, sagte Tony lachend.
»Er ist gut.«
»Vielleicht zu gut.«
»Sollen wir noch einen Kandidaten suchen?«
»Nein, ich glaube, die Liste ist jetzt komplett. Gute Arbeit.«
Nachdem Mariin gegangen war, wählte Tony die Nummer von Ron Fisk. Der viel beschäftigte Anwalt nahm nach dem ersten Klingeln ab, was nicht weiter überraschend war. »Ich furchte, es stimmt«, sagte Tony mit Grabesstimme. Dann erzählte er Ron von der Ankündigung und der Verhaftung.
»Der Kerl muss verrückt sein«, meinte Ron.
»Mit Sicherheit. Mein erster Eindruck ist, dass es vielleicht gar nicht mal so schlecht ist. Genau genommen könnte es uns sogar nützen. Über diesen Clown wird ausführlich in den Medien berichtet werden, und er scheint wild entschlossen, einen Krieg gegen McCarthy zu beginnen.«
»Warum habe ich dann so ein komisches Gefühl im Magen?«
»In der Politik wird mit harten Bandagen gekämpft, Ron, aber das werden Sie schon noch lernen. Ich mache mir keine Sorgen, jedenfalls jetzt noch nicht. Wir halten uns an unseren Plan. Es hat sich nichts geändert.«
»Für mich sieht es so aus, als würden mehrere Kandidaten nur der Amtsinhaberin etwas nützen«, sagte Ron.
»Nicht unbedingt. Es gibt keinen Grund zur Panik. Außerdem können wir sowieso nichts dagegen tun, dass sich noch mehr Kandidaten aufstellen lassen. Verlieren Sie jetzt nicht die Nerven. Schlafen Sie darüber. Wir telefonieren morgen wieder.«
18
Clete Coleys aufsehenerregende Ankündigung kam genau zum richtigen Zeitpunkt. Im ganzen Staat gab es nichts anderes mehr, über das die Leute redeten. Die Medien stürzten sich wie die Geier auf seine Kandidatur und berichteten pausenlos darüber. Aber konnte man ihnen daraus einen Vorwurf machen? Wie oft kann man seinen Zuschauern schon einen Livemitschnitt vorführen, in dem ein Anwalt in Handschellen gelegt und weggezerrt wird, während er die »liberalen Mistkerle« beschimpft? Ein Anwalt, der zudem noch laut und dick war? Die Plakatwand mit den Gesichtern der Toten war ein Knaller. Seine freiwilligen Helfer, vor allem die Verwandten der Opfer, waren nur zu gern bereit, mit den Reportern zu sprechen und ihre Geschichte zu erzählen. Und die Unverfrorenheit, seine Kandidatur direkt unter der Nase des Supreme Court bekannt zu geben, war einfach bewundernswert.
Clete wurde in die Polizeizentrale im Stadtzentrum geschafft, wo man seine Personalien erfasste, Fingerabdrücke nahm und ihn fotografierte. Er ging völlig zu Recht davon aus, dass das Polizeifoto der Presse zugespielt werden würde, und überlegte sich daher sehr genau, was für ein Gesicht er machen sollte. Ein finsterer Blick würde den Verdacht bestätigen, dass der Kerl nicht alle Tassen im Schrank hatte. Ein albernes Grinsen könnte zu einer Diskussion darüber führen, ob er es wirklich ernst meinte - wer lächelt schon, wenn er gerade im Gefängnis gelandet ist? Er entschied sich für einen nichtssagenden Gesichtsausdruck mit einem Anflug neugieriger Verwunderung, als wollte er sagen: »Womit habe ich das verdient?«
Die Vorschriften besagten, dass jeder Häftling seine Kleidung ablegen, duschen und einen orangefarbenen Overall anziehen musste, was in der Regel vor dem Fotografieren erledigt wurde. Clete verbat sich das. Ihm wurde lediglich unerlaubtes Betreten vorgeworfen, wofür eine Geldstrafe von höchstens zweihundertfünfzig Dollar vorgesehen war. Als Kaution war die doppelte Summe vorgesehen, und Clete, dessen Taschen mit Hundert-Dollar-Scheinen vollgestopft waren, ließ genügend Geld sehen, um die Obrigkeit davon zu überzeugen, dass er gerade dabei war, das Gefängnis wieder zu verlassen, und mitnichten vorhatte zu bleiben. Daher wurden die Dusche und der
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