Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Berufung

Titel: Die Berufung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
Vom Netzwerk:
damit sie nicht länger auf den Rechten der Opfer herumtrampeln kann.«
    Paul überlegte, ob er sich ein paar Sätze notieren sollte, doch er war wie versteinert und konnte sich keinen Zentimeter mehr bewegen. Er war sich zwar nicht sicher, ob seine Chefin tatsächlich so oft dafür stimmte, ein Todesurteil aufzuheben, aber er wusste, dass so gut wie alle Todesurteile bestätigt wurden. Trotz schlampiger Polizeiarbeit, Rassismus, boshaften Staatsanwälten, gezielt ausgesuchten Geschworenen und unsinnigen Entscheidungen Vorsitzender Richter und unabhängig davon, wie fehlerhaft die Verhandlung gewesen war, hob der Supreme Court nur sehr selten ein Todesurteil auf. Paul fand das furchtbar. In der Regel gingen solche Abstimmungen sechs zu drei aus, und Richterin McCarthy war dabei die lautstarke Anführerin einer Minderheit, die überstimmt wurde. Zwei der Richter hatten noch nie dafür gestimmt, ein Todesurteil aufzuheben. Und einer hatte noch nie dafür gestimmt, eine Verurteilung in einem Strafrechtsprozess aufzuheben.
    Paul wusste, dass seine Chefin privat gegen die Todesstrafe war, aber alles tat, um die Gesetze des Staates durchzusetzen. Sie verbrachte einen großen Teil ihrer Arbeitszeit mit Todesurteilen, und er hatte noch nie erlebt, dass sie ihre privaten Ansichten über die strikte Befolgung der Gesetze stellte. Wenn das Verhandlungsprotokoll in Ordnung war, zögerte sie nicht, sich der Mehrheit anzuschließen und ein Urteil zu bestätigen.
    Clete widerstand der Versuchung, zu lange zu sprechen. Er hatte seinen Standpunkt deutlich gemacht. Seine Ankündigung war ein grandioser Erfolg. Er senkte die Stimme, wurde ernster und beendete seine Rede mit den Worten: »Ich rufe alle Bürger von Mississippi, denen etwas an Recht und Ordnung liegt, die willkürliche, sinnlose Verbrechen satthaben, dazu auf, mit mir zusammen dieses Gericht zu stürzen. Ich danke Ihnen.« Wieder Applaus.
    Zwei der größeren Polizisten traten an das Podium heran. Die Reporter fingen an, Fragen zu stellen. »Sind Sie schon einmal Richter gewesen? Wie viel finanzielle Unterstützung haben Sie? Wer sind diese Leute da, die Ihnen helfen? Haben Sie konkrete Vorschläge, um den Berufungsprozess zu verkürzen?«
    Clete wollten gerade mit seinen Antworten anfangen, als ihn einer der Polizisten am Arm packte und sagte: »Das reicht jetzt. Die Party ist vorbei.«
    »Scheren Sie sich zum Teufel«, rief Clete, während er sich losriss. Der Rest der Beamten drängte sich durch die freiwilligen Helfer hindurch, von denen viele mit wüsten Beschimpfungen reagierten.
    »Sie kommen jetzt mit«, sagte der Beamte.
    »Verpiss dich.« Dann brüllte Clete in Richtung der Kameras: »Seht euch das an! Verbrecher fassen sie mit Samthandschuhen an, aber die Redefreiheit treten sie mit Füßen.«
    »Sie sind verhaftet.«
    »Ich bin verhaftet? Sie verhaften mich, weil ich eine Rede halte?« Während er das sagte, legte er langsam - und freiwillig - beide Hände auf den Rücken.
    »Sir, Sie haben keine Genehmigung«, sagte einer der Polizisten, während zwei andere Beamte Clete Handschellen anlegten.
    »Seht euch diese Polizisten an. Sie sind vom dritten Stock hergeschickt worden, von den Leuten, gegen die ich antrete.«
    »Kommen Sie mit.«
    Während er sich vom Podium entfernte, brüllte Clete weiter: »Ich werde nicht lange im Gefängnis bleiben, und wenn ich rauskomme, werde ich überall die Wahrheit über diese liberalen Mistkerle sagen. Darauf könnt ihr euch verlassen.«
    Sheila sah sich das Spektakel vom Fenster ihres Büros aus an. Ein anderer ihrer Mitarbeiter, der in der Nähe der Reporter stand, teilte ihr per Mobiltelefon mit, was los war.
    Der Spinner da unten hatte sie ins Visier genommen.
     
    Paul blieb noch so lange unten, bis die Plakatwand auseinandergenommen war und die Menge sich zerstreut hatte, dann rannte er nach oben in McCarthys Büro. Sie saß an ihrem Schreibtisch, zusammen mit einem weiteren Mitarbeiter und Richter McElwayne. Die Stimmung war gedrückt. Sie sahen Paul an, als hätte er durch Zufall ein paar gute Nachrichten für sie.
    »Der Kerl ist verrückt«, sagte er. Die anderen nickten.
    »Er sieht nicht so aus, als wäre er ein Strohmann der Großunternehmen«, sagte McElwayne.
    »Ich habe noch nie etwas von ihm gehört«, sagte Sheila leise. Sie schien unter Schock zu stehen. »Ich glaube, ein einfaches Jahr ist gerade sehr, sehr kompliziert geworden.«
    Die Vorstellung, einen Wahlkampf führen zu müssen, war nicht sehr

Weitere Kostenlose Bücher