Die Berufung
von vier Fernsehkameras gefilmt. Bleiben Sie ganz ruhig, dann bin ich in null Komma nichts wieder weg.«
»Tut mir leid, Sir.«
Clete ging wieder zum Podium, während sich hinter ihm eine Mauer aus Helfern bildete. Er lächelte in die Kameras und sagte: »Guten Morgen und vielen Dank, dass Sie gekommen sind. Mein Name ist Clete Coley. Ich bin Anwalt aus Natchez und gebe hiermit meine Kandidatur für den Supreme Court bekannt. Meine Gegnerin ist Richterin Sheila McCarthy, zweifellos das liberalste Mitglied dieser Ansammlung von untätigen Rechtsverdrehern, die sich Supreme Court schimpft und Kriminelle verhätschelt.« Die Helfer brüllten vor Begeisterung. Die Reporter lächelten angesichts von so viel Glück. Um ein Haar hätten einige gelacht.
Paul musste schlucken, weil er eine solche Chuzpe einfach nicht fassen konnte. Der Mann vor ihm war laut, aufdringlich und schillernd. Er genoss die Aufmerksamkeit, die man ihm schenkte.
Und er redete sich gerade erst warm. »Hinter mir sehen Sie die Gesichter von dreiundachtzig Menschen. Schwarze, Weiße, Großmütter, Babys, Gebildete, Analphabeten, aus allen Teilen des Staates und allen sozialen Schichten. Alle unschuldig, alle tot, alle ermordet. Jetzt, in diesem Moment, warten ihre Mörder im Todestrakt von Parchman gerade auf ihr Mittagessen. Sie sind alle rechtmäßig von Geschworenen aus diesem Staat verurteilt worden, sie sind alle in den Todestrakt geschickt worden, um hingerichtet zu werden.« Er machte eine Pause und deutete mit großer Geste auf die Gesichter der Unschuldigen.
»In Mississippi sitzen achtundsechzig Männer und zwei Frauen im Todestrakt. Sie sind dort sicher, denn der Staat weigert sich, sie hinzurichten. Andere Bundesstaaten weigern sich nicht. Andere Bundesstaaten nehmen ihre Gesetze ernst: Seit 1978 hat Texas dreihundertvierunddreißig Mörder hingerichtet. In Virginia waren es einundachtzig, in Oklahoma sechsundsiebzig, in Florida fünfundfünfzig, in North Carolina einundvierzig, in Georgia siebenunddreißig, in Alabama zweiunddreißig und in Arkansas vierundzwanzig. Selbst Bundesstaaten im Norden wie Missouri, Ohio und Indiana sind nicht so zimperlich wie wir. Delaware hat vierzehn Mörder hingerichtet. Und wo steht Mississippi? Zurzeit auf Platz neun. Wir haben nur vierzehn Mörder hingerichtet, und deswegen, meine Freunde, kandidiere ich für den Supreme Court.«
Inzwischen waren etwa ein Dutzend Polizisten anwesend, doch sie gaben sich damit zufrieden, Clete zu beobachten und ihm zuzuhören. Die Verhinderung von Straßenkämpfen gehörte nicht zu ihren Lieblingsaufgaben, außerdem klang der Mann da ganz vernünftig.
»Warum führen wir keine Hinrichtungen durch?«, schrie Clete in die Menge. »Ich werde Ihnen sagen, warum. Weil unser Supreme Court diese Verbrecher verhätschelt und zulässt, dass sich ihre Berufungen endlos hinziehen. Bobby Ray Root hat bei einem Raubüberfall auf einen Schnapsladen kaltblütig zwei Menschen getötet. Das war vor siebenundzwanzig Jahren. Er sitzt immer noch im Todestrakt, bekommt drei Mahlzeiten am Tag, kann seine Mutter einmal im Monat sehen, und ein Datum für seine Hinrichtung steht immer noch nicht fest. Willis Briley hat seine vierjährige Stieftochter ermordet.« Er hielt inne und zeigte auf das Foto eines kleinen schwarzen Mädchens am oberen Ende der Plakatwand. »Das ist sie, das niedliche kleine Mädchen in dem rosa Kleid da. Heute wäre sie dreißig Jahre alt. Ihr Mörder, ein Mann, dem sie vertraut hat, sitzt seit vierundzwanzig Jahren im Todestrakt. Ich könnte endlos so weitermachen, aber ich glaube, Sie wissen, was ich meine. Es ist Zeit, dieses Gericht aufzurütteln und allen, die einen Mord begangen haben oder dies in Zukunft tun werden, zu zeigen, dass wir es in diesem Staat ernst damit meinen, unsere Gesetze durchzusetzen.«
Er machte eine Pause, in der er wieder tosenden Beifall von der Menge bekam, was ihn offenbar inspirierte.
»Richterin Sheila McCarthy hat öfter als alle anderen Mitglieder des Gerichts dafür gestimmt, Verurteilungen wegen Mordes aufzuheben. In ihren Stellungnahmen wimmelt es nur so von juristischen Spitzfindigkeiten, bei denen es jedem Strafverteidiger in diesem Staat warm ums Herz wird. Die American-Civil-Liberties-Union liebt sie heiß und innig. Ihre Stellungnahmen triefen nur so vor Sympathie für diese Mörder. Sie geben den Verbrechern im Todestrakt neue Hoffnung. Meine Damen und Herren, es wird Zeit, dass man ihr Robe und Stimmrecht wegnimmt,
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