Die Berufung
Wir haben Umfragen, nach denen fast siebzig Prozent daran glauben, und ein noch größerer Prozentsatz der Bevölkerung regt sich fürchterlich darüber auf, dass in Mississippi nicht genügend Hinrichtungen stattfinden. Die Schuld daran können Sie dem Supreme Court geben. Das Thema ist einfach perfekt.«
Clete nickte immer noch. Seit einer Woche hatte er kaum an etwas anderes gedacht. Es war tatsächlich das perfekte Thema, und das Gericht war das perfekte Ziel. Sich als Kandidaten zur Wahl zu stellen würde eine Menge Spaß machen.
»Sie haben da ein paar Gruppen erwähnt«, sagte er, während er seinen doppelten Rum hinunterkippte.
»Es gibt einige, aber zwei sind besonders wichtig. Die eine nennt sich Victims Watching, ein zäher Haufen, dessen Mitglieder alle einen Angehörigen durch ein Verbrechen verloren und die Gerichte gründlich satthaben. Es sind nicht viele, aber sie sind sehr engagiert. Mr X finanziert heimlich auch diese Gruppe, aber das muss unter uns bleiben. Die andere ist die Law Enforcement Coalition, eine durch und durch seriöse Organisation, die sich für Recht und Ordnung einsetzt und erheblichen Einfluss hat. Beide Gruppen werden Sie unterstützen.«
Clete nickte, grinste und beobachtete eine Kellnerin, die mit einem schwer beladenen Tablett voller Cocktails an ihnen vorbeiging. »Wie macht sie das bloß?«, fragte er gerade so laut, dass man es hören konnte.
»Mehr kann ich Ihnen nicht sagen«, fuhr Mariin fort, ohne ihn zu drängen.
»Wo ist das Geld?«
Mariin holte tief Luft und konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. »Im Kofferraum meines Wagens. Die Hälfte davon, fünfzig Riesen. Nehmen Sie es mit, und an dem Tag, an dem Sie Ihre Kandidatur offiziell bekannt geben, bekommen Sie die anderen fünfzig.«
»In Ordnung.«
Nachdem sie sich die Hand gegeben hatten, griffen beide nach ihren Gläsern. Mariin zog einen Schlüsselbund aus der Tasche. »Ein grüner Mustang mit schwarzem Dach, wenn Sie rausgehen, links. Nehmen Sie die Schlüssel, nehmen Sie das Auto, nehmen Sie das Geld. Ich will es gar nicht sehen. Ich werde hier sitzen bleiben und Blackjack spielen, bis Sie wiederkommen.«
Clete schnappte sich die Schlüssel, wuchtete sich vom Stuhl und ging quer durch den Spielsaal nach draußen.
Mariin wartete fünfzehn Minuten und rief dann Tony Zachary unter dessen Handynummer an. »Es sieht ganz danach aus, als hätte unser Mann angebissen«, sagte er.
»Er hat das Geld genommen?«, fragte Tony.
»Die Sache läuft, und ja, das Geld sehen Sie nie wieder. Ich nehme an, dass die Lucky Jack einen schönen Batzen davon bekommen wird, aber er ist dabei.«
»Ausgezeichnet.«
»Der Kerl wird ein Brüller. Die Kameras werden ihn lieben.«
»Hoffen wir, dass Sie recht haben. Wir sehen uns morgen.«
Mariin fand einen Platz an einem Fünf-Dollar-Tisch und brachte es fertig, innerhalb einer halben Stunde einhundert Dollar zu verlieren.
Clete kam zurück. Er grinste über das ganze Gesicht, als wäre er der glücklichste Mann in Natchez. Mariin war sicher, dass der Kofferraum seines Wagens jetzt leer war.
Sie gingen wieder an die Bar und tranken bis Mitternacht.
Zwei Wochen später hatte sich Ron Fisk nach dem Baseballtraining gerade ins Auto gesetzt, als sein Mobiltelefon klingelte. Er war Cheftrainer der Raiders, einer Little-League-Mannschaft, in der auch sein Sohn Josh spielte, und in zwei Wochen hatten sie ihr erstes Spiel. Josh saß mit zwei anderen Jungen aus seinem Team auf dem Rücksitz, verschwitzt, schmutzig und sehr glücklich.
Zuerst ignorierte Ron das Telefon, dann warf er einen Blick auf die Nummer im Display. Es war Tony Zachary. Sie sprachen mindestens zweimal am Tag miteinander. »Hallo, Tony«, meldete er sich.
»Haben Sie kurz Zeit?« Tony fragte das immer, als wäre er gern bereit, später noch einmal anzurufen. Inzwischen hatte Ron allerdings die Erfahrung gemacht, dass Tony nie bereit war, später noch einmal anzurufen. Jeder Anruf war dringend.
»Sicher.«
»Ich fürchte, wir haben ein kleines Problem. Offenbar wird es mehr Kandidaten geben, als wir dachten. Sind Sie noch dran?«
»Ja.«
»Ich habe gerade von einer zuverlässigen Quelle erfahren, dass ein Spinner namens Clete Coley - aus Natchez, glaube ich - morgen bekannt geben wird, dass er gegen Richterin Mc-Carthy antritt.«
Ron holte tief Luft. Dann lenkte er den Wagen auf die Straße, die an der Baseballanlage der Stadt vorbeiführte. »Sprechen Sie weiter.«
»Schon mal was von ihm
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