Die Beschenkte
gut«, sagte die Kapitänin. »Es reicht. Lassen Sie die Klingen fallen, Lady, und geben Sie meinen Mann frei.«
»Wenn dieser Kerl näher kommt«, Katsa deutete auf den anderen Seemann, »kann er sich gleich neben Bär legen.«
»Tritt zurück, Patch«, sagte die Kapitänin, »und steck dein Messer ein. Mach schon!«, befahl sie scharf, als Patch zögerte. Der Blick, den er Katsa zuwarf, war wütend, doch er gehorchte.
Katsa warf ihre Waffen auf den Boden. Jem stand auf, rieb sich den Hals und schnitt eine Grimasse in ihre Richtung, und Katsa lagen einige Worte auf der Zunge, die sie Bo gern gesagt hätte. Sie hängte sich seinen Ring wieder um den Hals.
»Was genau haben Sie Bär angetan?«, fragte die Kapitänin.
»Er wird bald aufwachen.«
»Das hoffe ich!«
»Bestimmt.«
»Und jetzt erklären Sie sich«, sagte die Kapitänin. »Als Letztes haben wir gehört, unser Prinz sei in den Middluns, am Hof von König Randa. Dort hat er mit Ihnen trainiert, wenn ich mich nicht irre.«
Aus der Ecke kam ein Geräusch. Bitterblue kniete an der Wand und erbrach sich auf den Boden. Katsa ging zu ihr und half ihr auf die Füße. Bitterblue klammerte sich unbeholfen an sie. »Der Boden bewegt sich.«
»Ja«, sagte Katsa. »Du wirst dich daran gewöhnen.«
»Wann? Wann werde ich mich daran gewöhnen?«
»Komm, Kind.«
Katsa trug Bitterblue praktisch zurück zu der Kapitänin. »Kapitänin Faun«, sagte sie, »das ist Prinzessin Bitterblue von Monsea, Bos Cousine. Und wie Sie bereits erraten haben, bin ich Katsa aus den Middluns.«
»Ich würde auch raten, dass Ihrem Auge nichts fehlt«, sagte die Kapitänin.
Katsa zog das Tuch von ihrem grünen Auge. Sie schaute der Kapitänin ins Gesicht, die ihren Blick kühl erwiderte. Dann wandte sie sich zu Patch und Jem um, die sie mit hochgezogenen Augenbrauen anschauten und langsam verstanden. Die Gesichtszüge der beiden schienen ihr so vertraut,die dunklen Haare, das Gold in ihren Ohren, die Direktheit, mit der sie ihr in die Augen sahen.
Katsa wandte sich wieder an die Kapitänin. »Die Prinzessin ist in großer Gefahr. Ich bringe sie nach Lienid, um sie vor – vor denen, die ihr etwas antun wollen, zu verstecken. Bo sagte, Sie würden uns helfen, wenn ich Ihnen diesen Ring zeige. Und wenn nicht, werde ich alle Macht meiner Gabe nutzen, um Ihre Hilfe zu erzwingen.«
Die Kapitänin starrte sie aus schmalen Augen und mit schwer durchschaubarer Miene an. »Lassen Sie mich den Ring genauer ansehen.«
Katsa trat vor. Sie nahm den Ring nicht noch einmal von seinem Platz um ihren Hals, nicht wenn sein Anblick solchen Irrsinn hervorrief. Doch die Kapitänin hatte keine Angst vor ihr, sie griff nach Katsas Kehle, um den goldenen Ring in die Finger zu nehmen, und drehte ihn im Licht in alle Richtungen. Dann ließ sie ihn sinken und betrachtete Bitterblue. Schließlich wandte sie sich wieder an Katsa.
»Wo ist unser Prinz?«, fragte sie.
Katsa überlegte und entschied, dass sie dieser Frau wenigstens einen Teil der Wahrheit anvertrauen musste. »Weit weg von hier, er erholt sich von einer Verletzung.«
»Wird er sterben?«
»Nein«, sagte Katsa erschrocken. »Natürlich nicht.«
Die Kapitänin runzelte die Stirn. »Warum hat er Ihnen dann seinen Ring gegeben?«
»Ich habe es Ihnen doch gesagt. Er hat ihn mir gegeben, damit uns ein Schiff aus Lienid hilft.«
»Unsinn. Warum hat er Ihnen dann nicht den Ring des Königs oder der Königin gegeben, wenn er nur das gewollt hat?«
»Ich weiß es nicht. Ich kenne die Bedeutung dieser Ringe nicht, abgesehen von den Personen, für die sie stehen. Er hat sich entschieden, mir diesen zu geben.«
»Hm«, machte die Kapitänin. Katsa presste die Zähne aufeinander und bereitete sich darauf vor, etwas sehr Bissiges zu sagen, doch Bitterblues Stimme hielt sie zurück.
»Bo hat Katsa wirklich den Ring gegeben«, sagte sie unglücklich. Ihre Stimme war belegt, ihr Körper zusammengekrümmt. »Bo wollte, dass sie ihn bekommt. Und da er nicht erklärt hat, was er bedeutet, sollten Sie das für ihn tun. Jetzt sofort.«
Die Kapitänin betrachtete Bitterblue. Das Mädchen hob trotzig das Kinn. Die Kapitänin seufzte. »Es ist sehr selten, dass ein Lienid einen seiner Ringe verschenkt, und fast nie hört man davon, dass einer den Ring seiner eigenen Identität weggibt. Diesen Ring zu verschenken bedeutet, die eigene Identität aufzugeben. Prinzessin Bitterblue, Ihre Gefährtin trägt um ihren Hals den Ring des siebten Prinzen von Lienid.
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