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Die Beschenkte

Die Beschenkte

Titel: Die Beschenkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Cashore
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dachte, bekam sie trotzdem eine leichte Gänsehaut. Nun, der Beruf dieser Beschenkten passte jedenfalls gut zu ihrer Gabe, und sie würde ihnen damit nicht schaden – sie könnte ihnen sogar dienlich sein. Katsa würde Kapitänin Faun genau unter die Lupe nehmen und dann entscheiden, wie viel man ihr mitteilen konnte.
    Die Wachmänner starrten sie an, als sie näher kamen. Einer hielt die Fackel an ihre Gesichter. Katsa schob ihr Kinn in den Jackenkragen und schaute ihn mit ihrem einzigen sichtbaren Auge an. »Was bringst du denn da an Bord, Jem?«, fragte der Mann.
    »Sie sollen zur Kapitänin«, sagte der Junge.
    »Gefangene?«
    »Gefangene oder Passagiere. Das wird die Kapitänin entscheiden.«
    Der Wachmann winkte einem seiner Gefährten. »Geh mit ihnen, Bär«, sagte er, »damit unserem Jem nichts passiert.«
    »Ich kann selbst auf mich aufpassen«, sagte Jem.
    »Natürlich kannst du das. Aber Bär kann auf dich und sich und unsere beiden Gefangenen aufpassen, ein Schwert tragen und eine Fackel halten, und das alles gleichzeitig. Und für die Sicherheit unserer Kapitänin sorgen.«
    Jem schien widersprechen zu wollen, doch bei der Erwähnung der Kapitänin nickte er und übernahm die Führung, als Katsa und Bitterblue weitergingen. Bär ging hinterher, in einer Hand schwang er sein Schwert, in der anderen hielt er eine Laterne. Er war einer der riesigsten Männer, die Katsa je gesehen hatte. Als sie auf das Deck des Schiffs traten, wichen die Seeleute zur Seite, teils um die beiden kleinen zerlumpten Fremden anzustarren und teils um Bär aus dem Weg zu gehen. »Was ist los, Jem?«, fragten mehrere Stimmen. »Wir gehen zur Kapitänin«, antwortete Jem immer wieder, und die Männer kehrten zurück zu ihren Pflichten.
    Das Deck war lang und wimmelte von Seeleuten. Auf allen Seiten ragten unvertraute Formen auf und warfen im Licht von Bärs Laterne seltsame Schatten. Plötzlich schwebte ein Segel herab, das sich von seiner Befestigung in der Takelage gelöst hatte, flatterte über Katsas Kopf, leuchtete in einem schimmernden Grau und glich einem riesigen Vogel, der seine Leine zerreißen und in den Himmel steigen wollte. Dann hob es sich plötzlich wieder, faltete sich auf und war straff an seinen Platz geschnürt. Katsa hatte keine Ahnung, was das alles bedeutete, aber eine gewisse Erregung stieg in ihr auf über das Fremdartige und die Betriebsamkeit, die Stimmen, die unbekannte Befehle riefen, die Windböen und den schaukelnden Boden.
    Sie brauchte etwa zwei Schritte, um sich dem Neigen und Heben des Decks anzupassen. Bitterblue fiel das nicht so leicht, und ihre Beunruhigung über die Ereignisse ringsum trug auch nicht zu ihrem Gleichgewicht bei. Katsa hielt das Mädchen schließlich eng an ihrer Seite. Bitterblue lehnte sich erleichtert an sie und überließ es Katsa, sie aufrecht zu halten.
    Jem blieb vor einer Öffnung in den Deckplanken stehen. »Folgt mir«, sagte er. Er klemmte sich das Messer zwischen die Zähne, kletterte in das schwarze Loch und verschwand. Katsa folgte ihm, sie vertraute darauf, dass sich unter ihren Händen und Füßen eine noch unsichtbare Leiter materialisieren würde, und half dem Kind auf die Sprossen direkt über ihr. Bär kletterte als Letzter hinunter, sein Licht warf ihre Schatten an die Wände des engen Ganges, in dem sie schließlich standen.
    Sie folgten Jems dunkler Gestalt den Gang entlang. Bitterblue lehnte sich an Katsa und presste das Gesicht an ihre Brust. Die Luft war stickig hier unten, verbraucht und unangenehm. Katsa hatte gehört, dass man sich an Schiffe gewöhnen konnte. Bis Bitterblue sich daran gewöhnt hatte, würde Katsa ihr helfen das Gleichgewicht zu halten und zu atmen.
    Sie folgten Jem durch schwarze Gänge zu einem Rechteck aus orangefarbenem Licht, von dem Katsa annahm, dass es zu den Räumen der beschenkten Kapitänin führte. Aus der hellen Öffnung drangen Stimmen und eine von ihnen war laut, bestimmt und weiblich.
    Als sie die Tür erreichten, verstummte das Gespräch. Dann hörte Katsa von ihrem Platz im Schatten hinter dem Jungen die Stimme der Frau. »Was ist, Jem?«
    »Bitte um Entschuldigung, Käpt’n«, sagte Jem. »Diese beiden Jungen aus Sunder möchten eine Überfahrt nach Westen bezahlen, aber ich traue ihrem Gold nicht.«
    »Und was stimmt nicht mit ihrem Gold?«, fragte die Frau.
    »Es ist Gold aus Lienid, Käpt’n, und mehr, als sie haben sollten, so wie sie aussehen.«
    »Bring sie herein und lass mich das Gold sehen.«
    Sie

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