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Die Beschenkte

Die Beschenkte

Titel: Die Beschenkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Cashore
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schaute sie nicht an und sah aus, als würde er gleich zusammenbrechen.
    »Setzen Sie sich«, sagte Katsa. Er fiel auf seinen Stuhl und stieß ein schwaches Stöhnen aus.
    »Schauen Sie mich an«, sagte sie. Sein Blick zuckte zu ihrem Gesicht und glitt dann zu ihren Händen. Randas Opfer beobachteten immer ihre Hände, nie ihr Gesicht. Sie konnten ihre Augen nicht ertragen. Und sie erwarteten einen Schlag ihrer Hände.
    Katsa seufzte. »Sie sind ein Lügner und ein Dieb«, sagte sie. »Und ein Dummkopf.«
    Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber nichts als ein Krächzen kam heraus.
    »Ich kann Sie nicht verstehen«, sagte Katsa.
    Er räusperte sich. »Ich habe eine Familie. Ich habe eine Familie zu versorgen. Tun Sie, was Sie wollen, aber ich bitte Sie, töten Sie mich nicht.«
    »Sie wollen nicht, dass ich Sie töte, um Ihrer Familie willen?«
    Eine Träne rann in seinen Bart. »Und um meinetwillen. Ich will nicht sterben.«
    Natürlich wollte er nicht sterben für fünf Morgen Land. »Ich töte keine Männer, die fünf Morgen Holz vom König stehlen«, sagte sie, »und dann teuer dafür in Gold bezahlen. Ein solches Verbrechen rechtfertigt eher einen gebrochenen Arm oder den Verlust eines Fingers.«
    Er schnappte nach Luft und starrte auf die Eier und das Obst auf seinem Teller. Sie überlegte, ob er sich gleich übergeben oder weinen würde. Aber dann schob er den Teller zur Seite, ebenso das umgekippte Glas und das Besteck. Er legte die Arme auf den Tisch vor sich, senkte den Kopf und wartete.
    Eine Welle von Müdigkeit überkam sie. Randas Befehle ließen sich leichter befolgen, wenn die Opfer flehten oder schrien, wenn sie ihnen keinen Respekt mehr entgegenbrachte.
    Katsa bewegte sich auf ihn zu und zog ihren Dolch aus der Scheide. Sie starrte die Klinge an. Randa machte sich nichts aus seinem Wald; er wollte nur Geld und Macht. Außerdem würden die Wälder eines Tages wieder nachwachsen. Finger wuchsen nicht wieder nach.
    Sie schob den Dolch zurück in die Scheide. Sie würde ihm nicht seinen Finger nehmen. Sein Arm würde dran glaubenmüssen oder sein Bein, vielleicht auch sein Schlüsselbein, das schmerzte immer, wenn es gebrochen wurde. Aber ihre eigenen Arme waren plötzlich bleischwer und ihre Beine schienen sie nicht vorantragen zu wollen.
    Der Lord holte zitternd Atem, aber er regte sich nicht, sagte nichts. Er war ein Lügner, ein Dieb und ein Dummkopf.
    Es gelang Katsa nicht, die Sache wichtig zu nehmen.
    Sie seufzte schwer. »Ich gebe zu, dass Sie tapfer sind«, sagte sie, »obwohl es zuerst nicht so aussah.« Sie sprang zum Tisch und schlug ihn auf die Schläfe, wie sie es bei Murgons Wachmännern getan hatte. Er wurde schlaff und fiel von seinem Stuhl. Zusammengekrümmt lag er auf dem Boden, die Beine unter dem bestickten Tischtuch begraben.
    Sie drehte sich um und verließ den Raum. In der großen Steinhalle des Lords wartete sie, dass Giddon und Oll mit dem Geld zurückkamen.
    Der Lord würde mit Kopfweh erwachen, aber das war alles. Wenn Randa hörte, was sie getan hatte, würde er einen Wutanfall bekommen.
    Aber vielleicht würde Randa nichts erfahren. Oder sie könnte den Lord beschuldigen, dass er gelogen hatte, um sein Gesicht zu wahren.
    In diesem Fall würde Randa darauf bestehen, dass sie in Zukunft mit Beweisen zurückkehrte. Mit einer Sammlung zusammengeschrumpfter Finger und Zehen. Was das für ihren Ruf bedeuten würde!
    Es war ihr gleichgültig. Sie hatte heute nicht die Kraft, eine Person zu quälen, die es nicht verdiente.
    Eine kleine Gestalt kam in die Halle getrippelt. Katsawusste, wer es war, noch bevor sie die Augen des Mädchens gesehen hatte, eins gelb wie die Kürbisse, die sie im Norden anbauten, und eins braun wie Schlamm. Diesem Mädchen würde sie wehtun. Dieses Mädchen würde sie quälen, damit es nicht ihre Gedanken las. Sie fing den Blick des Mädchens auf und erwiderte ihn, bis das Kind nach Luft schnappte und ein paar Schritte zurückwich. Dann drehte es sich um und rannte aus der Halle.

Sie kamen schnell voran, auch wenn Katsa sich über ihr Tempo ärgerte.
    »Katsa meint, wenn man ein Pferd nicht mit halsbrecherischer Geschwindigkeit vorantreibt, nutzt man es nicht richtig«, sagte Giddon.
    »Ich will nur wissen, ob Raffin etwas von dem alten Lienid erfahren hat.«
    »Machen Sie sich keine Sorgen, My Lady«, sagte Oll. »Morgen Abend werden wir am Hof sein, wenn das Wetter hält.«
    Das Wetter hielt den ganzen Tag und bis in die Nacht, aber gegen Morgen

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