Die Beschenkte
immer dafür verantwortlich war – nun, der hatte Grund, diese Augen zu fürchten.
Beim Abendessen war Randa nicht Furcht einflößend, beim Abendessen war er arrogant und laut. Er holte jeden, mit dem er zusammensitzen wollte, an den hohen Tisch. Oft war es Raffin, auch wenn Randa über seinen Kopf hinweg redete und nie hören wollte, was Raffin zu sagen hatte. Selten war es Katsa. Zu ihr blieb Randa auf Distanz. Lieber schaute er auf seine Kämpferin hinab und rief ihr etwas zu. Er mochte es, wenn er so alle im Raum auf seine Nichte, seine kostbare Waffe aufmerksam machte. Dann fürchteten sich die Gäste und alles war so, wie es Randa gefiel.
Heute Abend saß sie an dem Tisch rechts vom König, ihrem üblichen Platz. Sie trug das Kleid aus weicher grüner Seide und bekämpfte den Drang, die Ärmel abzureißen, die am Handgelenk weiter wurden, über ihre Hände fielen und in den Teller hingen, wenn sie nicht Acht gab. Wenigstens bedeckte dieses Kleid fast ganz ihre Brüste. Das war nicht bei allen Kleidern so. Helda hörte nicht auf Katsa, wenn sie Anweisungen für ihre Garderobe gab.
Giddon saß links neben ihr. Der Lord zu ihrer Rechten, den sie für den in Frage kommenden Junggesellen hielt, war nicht alt, aber älter als Giddon, ein kleiner Mann, der mit seinen hervorquellenden Augen und dem breiten Mund wie ein Frosch aussah. Er hieß Davit und war ein Junggeselle ausder nordöstlichen Ecke der Middluns an der Grenze zu Nander und Estill.
Die Gespräche mit ihm waren nicht übel. Sein Land, seine Bauernhöfe, seine Dörfer lagen ihm am Herzen und Katsa fiel es leicht, Fragen zu stellen, die er eifrig beantwortete. Zuerst saß er auf der äußersten Kante seines Stuhls und sah beim Reden ihre Schulter, ihr Ohr und ihr Haar an, doch nie ihr Gesicht. Aber im Lauf des Essens wurde er ruhiger, da Katsa ihn nicht biss; er entspannte sich, setzte sich bequem hin und sie unterhielten sich mühelos. Katsa fand, dass er ein ungewöhnlich angenehmer Tischherr war, dieser Lord Davit aus dem Nordosten. Jedenfalls lenkte er sie von dem Impuls ab, sich die stechenden Haarnadeln aus der Frisur zu reißen.
Der Prinz von Lienid war ebenfalls eine Ablenkung, auch wenn sie sich noch so sehr gegen den Gedanken wehrte. Er saß ihr gegenüber und sie hatte ihn immer im Blickfeld, doch sie versuchte, ihn nicht direkt anzuschauen. Manchmal spürte sie seinen Blick, seine Augen leuchteten über Randas Tischrunde hinweg. Kühn war er, und ganz anders als die übrigen Gäste, die wie immer angestrengt so taten, als wäre sie nicht da. Ihr kam der Gedanke, dass es nicht nur seine sonderbaren Augen waren, die sie irritierten. Es war die Tatsache, dass er sich nicht fürchtete, in ihre zu schauen. Sie schaute einmal zu ihm hinüber, als er nicht hersah. Er hob den Blick, um ihrem zu begegnen. Davit musste die gleiche Frage zweimal stellen, bevor Katsa ihn hörte, und sie wandte sich von den ungleichen Augen des Lienids ab, um zu antworten.
Vermutlich würde sie diesen Augen bald gegenüberstehen. Sie würden reden müssen. Sie würde entscheiden müssen, was sie mit ihm tun sollte.
Lord Davit wäre vermutlich weniger nervös, wenn er wüsste, dass Randa ihm unmöglich anbieten könnte, um Katsa zu werben.
»Lord Davit«, sagte sie, »haben Sie eine Frau?«
Er schüttelte den Kopf. »Es ist das Einzige, was meinem Besitz fehlt, My Lady.«
Katsa hielt den Blick auf ihr Hirschfleisch und die Karotten gesenkt. »Mein Onkel ist sehr enttäuscht von mir, weil ich vorhabe, nie zu heiraten.«
Lord Davit schwieg einen Moment, dann sagte er: »Ich bezweifle, dass Ihr Onkel der Einzige ist, der das enttäuschend findet.«
Katsa betrachtete sein Gesicht und konnte ihr Lächeln nicht unterdrücken. »Lord Davit, Sie sind ein perfekter Gentleman.«
Der Lord lächelte zurück. »Sie glauben, ich hätte es nicht so gemeint, My Lady, aber mir war es ernst.« Dann beugte er sich vor und senkte den Kopf. »My Lady«, flüsterte er, »ich möchte mit dem Rat sprechen.«
Die Stimmen der Gäste waren lebhaft, aber sie hörte ihn gut. Sie gab vor, sich auf ihr Essen zu konzentrieren, und rührte in ihrer Suppe. »Lehnen Sie sich zurück. Tun Sie, als würden wir uns nur unterhalten. Flüstern Sie nicht, das macht andere aufmerksam.«
Der Lord lehnte sich zurück. Er winkte einer Dienerin, die ihm mehr Wein brachte. Er aß ein wenig von seinem Hirschfleisch, dann wandte er sich wieder an Katsa.
»Das Wetter ist in diesem Sommer sehr gut zu meinem
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