Die Beschenkte
schone, als ich es heute getan habe.«
Er brach in Gelächter aus, doch dann wurde sein Blick ernst und er schaute zu Boden. »Verzeihen Sie mir das, Katsa. Ich wollte Lord Giddon zum Verbündeten machen, nicht zum Gegner. Es schien mir die einzige Möglichkeit zu sein.«
Katsa schüttelte ungeduldig den Kopf. »Giddon ist ein Idiot.«
»Er hat ganz normal reagiert«, sagte Bo, »wenn man seine Stellung bedenkt.«
Plötzlich berührte er mit den Fingerspitzen ihr Kinn. Sie erstarrte und vergaß die Frage, die sie stellen wollte, über Giddon und was seine Stellung in den Middluns sein könnte. Er hob ihr Gesicht ans Licht.
»Es war mein Ring.«
Sie verstand ihn nicht.
»Mein Ring hat sie gekratzt.«
»Ihr Ring.«
»Nun, einer meiner Ringe.«
Einer seiner Ringe hatte sie gekratzt, und jetzt berührten seine Fingerspitzen ihr Gesicht. Dann sank die Hand hinunter an seine Seite und er betrachtete sie ruhig, als wäre es normal, dass Freunde, die sie gerade erst gewonnen hatte, ihr Gesicht mit den Fingerspitzen berührten. Als ob sie jemals Freunde gewonnen hätte! Als ob sie irgendeine Möglichkeit des Vergleichs hätte, um zu wissen, was normal war unter neuen Freunden und was nicht!
Sie war nicht normal.
Sie stapfte in den Gang und riss die Fackel von der Wand. »Kommen Sie!« Es war Zeit, ihn hier wegzubringen, diesen sonderbaren Menschen, diesen Mann mit den Katzenaugen, der nur dazu gemacht schien, sie durcheinanderzubringen. Beim nächsten Kampf würde sie ihm diese Augen aus dem Gesicht schlagen! Sie würde ihm die Reife aus den Ohren und die Ringe von den Händen prügeln.
Es war Zeit, ihn hier wegzubringen, damit sie in ihre Zimmer und zu sich selbst kommen konnte.
Er war ein großartiger Gegner. Sie kam nicht an ihn heran. Sie konnte ihn nicht dort treffen, wo sie es vorhatte, und nicht so fest, wie sie wollte. Er war so schnell mit seiner Abwehr, seinen Finten, seinen Reaktionen! Sie konnte ihn nicht niederschlagen und sie konnte ihn nicht festhalten, wenn aus ihrem Wettstreit ein Ringkampf am Boden wurde. Er war viel stärker als sie, und zum ersten Mal in ihrem Leben erkannte sie, dass weniger Stärke ein Nachteil war. Zuvor war ihr niemand so nahe gekommen, dass es etwas ausmachte.
Er war so gut auf seine Umgebung und ihre Bewegungen eingestimmt, dass auch das Teil der Herausforderung war. Er schien immer zu wissen, was sie tat, auch wenn sie sich hinter ihm befand.
»Ich werde Ihnen erst dann glauben, dass Sie keine Nachtsicht haben, wenn Sie zugeben, dass Sie Augen am Hinterkopf haben«, sagte sie einmal, als sie in den Übungsraum gekommen war und er sie begrüßte, ohne sich nach ihr umzudrehen.
»Was meinen Sie damit?«
»Sie wissen immer, was hinter Ihnen geschieht.«
»Katsa, bemerken Sie nie den Lärm, den Sie machen, wenn Sie in einen Raum stürzen? Niemand reißt die Türen so auf wie Sie.«
»Vielleicht gibt Ihnen Ihre Gabe einen stärkeren Sinn für diese Dinge«, sagte sie.
Er schüttelte den Kopf. »Vielleicht, aber nicht mehr als Ihre eigene.«
Er musste bei ihren Kämpfen immer mehr einstecken als sie, weil sie eine solche Gewandtheit und unermüdliche Energie hatte, vor allem aber, weil sie so schnell war. Sie traf ihn vielleicht nicht so, wie sie wollte, doch sie traf ihn. Und er litt mehr unter seinen Schmerzen. Einmal unterbrach er den Kampf, als sie seine Arme, Beine und den Rücken auf den Boden drücken wollte und er ihr wiederholt mit der freien Hand in die Rippen geschlagen hatte.
»Tut das nicht weh?«, fragte er und keuchte vor Lachen. »Spüren Sie das nicht? Ich habe Sie an die zwölf Mal getroffen, und Sie zucken noch nicht einmal zusammen.«
Sie setzte sich auf die Fersen und betastete den Fleck unter ihrer Brust. »Es tut weh, aber es ist nicht schlimm.«
»Ihre Knochen müssen aus Stein sein. Sie gehen aus diesen Kämpfen ohne eine schmerzende Stelle, während ich davonhinke und den Rest des Tages damit verbringe, meine Prellungen zu kühlen.«
Er trug seine Ringe nicht, wenn sie kämpften. Schon am ersten Tag war er ohne sie gekommen. Als sie einwandte, das sei eine unnötige Vorsichtsmaßnahme, hatte er eine unschuldige Miene aufgesetzt.
»Ich habe es Giddon versprochen, oder nicht?«, hatte er gesagt, und dieser Kampf hatte damit begonnen, dassBo sich duckte und lachte, während Katsa auf sein Gesicht zielte.
Sie trugen auch keine Stiefel mehr, seit Katsa ihn versehentlich an der Stirn getroffen hatte. Er fiel auf Hände und Knie und sie sah
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