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Die Beschenkte

Die Beschenkte

Titel: Die Beschenkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Cashore
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»Genug! Genug davon.« Sie stand vom Tisch auf und ging aus ihren Gemächern, um der Aufforderung des Königs nachzukommen.

Ihr erster Wunsch beim Betreten des Thronsaals war, sie hätte doch ein Messer mitgebracht. Der zweite Wunsch war, dass sich die Reichweite von Bos Gabe bis zu diesem Raum erstreckte, so dass er sie hätte warnen können vor dem, was sie hier erwartete. Dann hätte sie vielleicht gewusst, dass sie nicht hätte kommen sollen.
    Ein langer blauer Teppich führte von der Tür zu Randas Thron, der hoch oben auf einem Podest aus weißem Marmor stand. Randa saß in blauen Gewändern und mit glänzenden blauen Augen da. Sein Gesicht sah hart aus, sein Lächeln schien festgefroren. Auf jeder Seite von ihm stand ein Bogenschütze, beide hatten einen Pfeil auf die Sehne gelegt und zielten bei ihrem Eintritt auf ihre Stirn, auf die Stelle zwischen ihrem blauen und grünen Auge. Zwei weitere Bogenschützen standen ebenfalls schussbereit in den Ecken des Saals.
    Die Wache des Königs säumte den Teppich drei Mann tief zu beiden Seiten, alle hatten die Schwerter gezogen und hielten sie an ihrer Seite. Randa hatte meist nur ein Zehntel dieser Wachmänner in seinem Thronsaal. Sie war beeindruckt; zu ihrem Erscheinen hatte Randa eine stattliche Truppe aufgeboten. Doch als Katsa die Aufstellung musterte, kam ihrder Gedanke, dass Birn oder Drowden oder Thigpen es besser gemacht hätten. Es war gut, dass Randa so selten Krieg führte und nicht besonders klug war, wenn es darum ging, Truppen zusammenzurufen. Diese hier hatte er ganz falsch aufgestellt: zu wenige Bogenschützen und zu viele dieser unbeholfenen, schwerfälligen Männer in Rüstungen, die beim Versuch, sie anzugreifen, übereinander fallen würden. Diese großen, breiten Männer würden sie vor fliegenden Pfeilen abschirmen. Noch dazu waren alle mit Schwertern bewaffnet und jeder hatte außerdem einen Dolch im Gürtel. Diese Schwerter und Dolche könnte sie genauso gut selbst tragen, wenn man bedachte, wie leicht es ihr fallen würde, sie ihren Besitzern abzunehmen. Und der König saß ungeschützt auf einem Podest, der lange blaue Teppich führte so direkt zu ihm wie ein Pfad, der den Flug ihrer Klinge leiten würde.
    Wenn in diesem Raum ein Kampf ausbrach, würde daraus ein Massaker werden.
    Katsa trat vor, Augen und Ohren auf die Bogenschützen gerichtet. Randas Bogenschützen waren gut, doch sie waren keine Beschenkte. Katsa bemitleidete kurz und nüchtern die Wachen hinter sich, falls diese Begegnung damit endete, dass sie Pfeilen ausweichen musste.
    Und dann, als sie etwa den halben Weg zum Thron zurückgelegt hatte, rief ihr Onkel: »Bleib da stehen. Ich verspüre keinerlei Wunsch nach näherem Kontakt mit dir, Katsa.« Ihr Name klang aus Randas Mund wie Dampf, der über den Teppich zischte. »Du kehrst heute an den Hof zurück ohne eine Frau. Ohne Mitgift. Mein Adjutant und mein Hauptmann haben Verletzungen von deiner Hand. Was hast du dazu zu sagen?«
    Warum konnte sie eine Stimme so ärgern, wenn ein Trupp Soldaten sie nicht beunruhigte? Sie zwang sich, seinen verächtlichen Blick zu erwidern. »Ich war mit Ihrem Befehl nicht einverstanden, König Randa.«
    »Habe ich richtig gehört? Du warst mit meinem Befehl nicht einverstanden?«
    »Nein, König Randa.«
    Randa lehnte sich zurück, sein Lächeln verzerrte sich noch mehr. »Charmant. Wirklich charmant. Sag mir, Katsa: Was genau hat dich auf die Idee gebracht, du wärst in der Lage, die Befehle des Königs zu hinterfragen? Über sie nachzudenken? Dir eine Meinung über sie zu bilden? Habe ich dich je gebeten, mir deine Gedanken über irgendwas mitzuteilen?«
    »Nein, König Randa.«
    »Habe ich dich je ermuntert, uns deinen weisen Rat zu geben?«
    »Nein, König Randa.«
    »Glaubst du, dass es deine Klugheit ist, dein erstaunlicher Intellekt, denen du deine Stellung an diesem Hof verdankst?«
    In diesem Punkt war Randa taktisch klug. Auf genau diese Weise hatte er sie so lange wie ein gefangenes Tier halten können. Er kannte die Worte, die sie so erniedrigten, dass sie sich dumm und roh vorkam, die sie in einen Hund verwandelten.
    Nun, wenn sie schon ein Hund war, dann wenigstens nicht länger im Käfig dieses Mannes. Sie würde sie selbst sein, mit ihrer eigenen Bösartigkeit, und damit tun, was sie wollte. Sie spürte schon, wie ihre Arme und Beine sich anspannten, bereit machten. Sie betrachtete den König mit zusammengekniffenen Augen und konnte den herausfordernden Ton in ihrer

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