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Die Beschenkte

Die Beschenkte

Titel: Die Beschenkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Cashore
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sie schwerer zu geben war und Randa sie nicht verdiente – und obwohl sie wollte, was die Stimme wollte, glaubte sie nicht, dass sie den Mut dazu hatte.
    Bo glaubt, dass du den Mut dazu hast, sagte die Stimme heftig. Täusche vor zu glauben, dass er Recht hat. Glaub ihm nur einen Moment.
    Täusche es vor. In ihren Fingern kribbelte es, als würden sie schreien, aber vielleicht konnte sie lange genug etwas vortäuschen, um aus diesem Raum zu kommen.
    Katsa hob den brennenden Blick zum König. Ihr Atem zitterte. »Ich verlasse den Hof«, sagte sie. »Versuchen Sie nicht mich aufzuhalten. Ich verspreche, dass Sie es bedauern werden, wenn Sie das tun. Vergessen Sie mich, sobald ich gegangen bin, denn ich werde nicht länger bereit sein, wie ein gefangenes Tier zu leben. Sie können mir nicht länger befehlen.«
    Er hatte Augen und Mund aufgerissen. Sie drehte sich um und lief über den langen Teppich, die Ohren auf die Stille gerichtet, bereit, beim ersten Laut einer Sehne oder einer Klinge herumzuwirbeln. Als sie durch die Flügeltür ihres Onkels ging, spürte sie das Gewicht von Hunderten erstaunter Blicke auf ihrem Rücken, und keiner der Anwesenden wusste, dass sie nur einen Atemzug, ein Fingerzucken davon entfernt gewesen war, es sich anders zu überlegen.

Teil zwei
    Der König mit den zwei Gesichtern

Lange vor Morgengrauen brachen sie auf. Raffin und Bann verabschiedeten sie; die beiden Heilkundigen waren noch verschlafen, Bann gähnte unentwegt. Katsa war an diesem kalten Morgen hellwach und still. Sie hatte Hemmungen gegenüber ihrem Reisegefährten, und Raffin löste ein merkwürdiges Gefühl in ihr aus, so merkwürdig, dass sie wünschte, er wäre nicht da. Wenn Raffin nicht dabei wäre, wenn sie abreiste, dann könnte sie sich vielleicht einreden, ihn nicht zu verlassen. Doch er war hier, und sie konnte nichts tun gegen das seltsame schmerzhafte Wasser, das ihr in Augen und Kehle stieg, wenn sie ihn nur anschaute.  
    Sie waren unmöglich, diese beiden Männer; wenn der eine sie nicht zum Weinen brachte, dann bestimmt der andere. Wie Helda das deuten würde, konnte sie sich nur vorstellen, und sie hatte auch Helda nicht gern Lebwohl gesagt, ebenso wenig Oll. Nein, an diesem Morgen gab es kaum einen Grund, glücklich zu sein, außer dass sie wenigstens Bo nicht verließ. Und der stand neben seinem Pferd und spürte vermutlich jedes ihrer Gefühle bei diesem Abschied. Sicherheitshalber schaute sie ihn vernichtend an und er zog die Augenbrauen hoch, lächelte und gähnte. Gut. Er sollte besser nicht reiten, als wäre er noch im Halbschlaf, sonst würde sie ihn im Staub zurücklassen. Sie war nicht in der Stimmung zum Trödeln.
    Raffin machte sich an den Pferden zu schaffen, überprüfte die Sättel, die Riemen ihrer Steigbügel. »Wahrscheinlich brauche ich mir um eure Sicherheit keine Gedanken zu machen, wenn ihr zusammen reitet«, sagte er schließlich.
    »Es ist alles in Ordnung.« Katsa zog an einem Riemen, der eine Tasche an ihrem Sattel befestigte, und warf eine andere Tasche über das Hinterteil ihres Pferdes Bo zu.
    »Habt ihr die Liste von Kontaktleuten des Rats in Sunder?«, fragte Raffin. »Und die Karten? Genug Proviant für heute? Und Geld?«
    Katsa lächelte zu ihm auf, denn er klang, wie sie sich eine Mutter vorstellte, deren Kind für immer fortging. »Bo ist ein Prinz der Lienid«, sagte sie. »Warum sollte er ein so großes Pferd reiten, wenn es nicht seine Goldsäcke tragen müsste?«
    Raffins Augen lachten zurück. »Nimm das.« Er schloss ihre Hände über einem kleinen Beutel. »Darin sind Heilmittel, falls ihr sie braucht. Ich habe sie beschriftet, ihr werdet also wissen, wofür jedes ist.«
    Jetzt trat Bo zu ihnen und streckte Bann die Hand entgegen. »Danke für alles, was du getan hast.« Er ergriff Raffins Hand. »Du wirst dich in meiner Abwesenheit um meinen Großvater kümmern?«
    »Er wird bei uns in guten Händen sein«, sagte Raffin.
    Bo schwang sich auf sein Pferd, und Katsa nahm Banns Hände und drückte sie. Dann stand sie vor Raffin und schaute ihm ins Gesicht.
    »Also«, sagte Raffin, »du wirst uns wissenlassen, wie es dir geht, wann immer du kannst?«
    »Natürlich.«
    Er schaute auf seine Füße und räusperte sich. Dann rieb er sich den Nacken und seufzte. Wie sehr wünschte sie sich, er wäre nicht hier, denn gleich würden ihr die Tränen übers Gesicht laufen, und sie konnte sie nicht aufhalten.
    »Nun«, sagte Raffin, »irgendwann sehe ich dich wieder, meine

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