Die Beschenkte
nach Westen. Sie führten die Pferde durch den Bach und ritten den Bergen zu, bis das Land rundum so steinig wurde, dass sie keine Hufspuren mehr hinterließen. Von dort folgten sie dem Rand der Berge nach Süden und fingen an, ein Versteck für die Nacht zu suchen, eine Stelle, die sie verteidigen konnten, weit genug von Leck entfernt, dass sie sicher waren, aber nicht so weit, dass sie ihn nicht erreichen und töten konnten.
Denn natürlich hatte Bitterblue Recht. Leck musste sterben und Katsa wusste das, doch sie dachte nicht gern daran. Sie hatte schon oft getötet und dieser Mord sollte ihre Aufgabe sein, doch es war klar, dass Bo es tun musste. Bo musste einen König töten, der von einer Armee Soldaten bewacht wurde! Allein und ohne ihre Hilfe!
Du darfst nicht in die Nähe seines Schlosses, ließ sie Bo wissen, während sie ritten. Du würdest nie nah genug an ihn herankommen. Du bist viel zu verdächtig. Sie würden dich überfallen.
Die Pferde suchten sich einen Weg durch die Steine. Bozeigte nicht, dass er ihre Gedanken aufgenommen hatte, er schaute sie noch nicht einmal an, doch sie wusste es auch so.
Am besten schleichst du dich im Wald an ihn heran, während er das Kind sucht, und erschießt ihn. Aus möglichst großer Entfernung.
Bo ritt mit geradem Rücken und ruhigen Armen vor ihnen trotz seiner Müdigkeit, der Kälte und seiner fehlenden Jacke.
Und dann läufst du weg, so schnell du kannst!
Jetzt wurde er langsamer und kam neben sie. Er schaute ihr ins Gesicht, und etwas Starkes im Blick seiner silbergoldenen Augen tröstete und beruhigte sie. Bo war weder schwach noch wehrlos. Er griff nach ihrer Hand und küsste sie. Dann ritt er wieder voraus und sie zogen weiter.
Bitterblue saß schweigend vor ihr. Sie war erstarrt, als Bo näher kam, doch falls sie den stillen Austausch sonderbar fand, sagte sie zumindest nichts.
Sie kamen an einen Platz, wo das Land links zu einer tiefen Schlucht abfiel, in der weit unter ihnen ein See glänzte. Rechts stieg der Pfad zu einer Klippe an, die über den See hing.
»Wenn wir auf die andere Seite dieser Klippe reiten und uns dort verstecken«, sagte Katsa, »wird jeder, der uns verfolgt, entweder die Klippe überqueren müssen wie wir, oder er muss aus der Schlucht hinaufsteigen. Und wäre weithin sichtbar.«
»Ich hatte den gleichen Gedanken«, sagte Bo. »Lass uns nachschauen, wie es dort aussieht.«
Und so ritten sie hinauf. Der Weg über die Klippe neigtesich ziemlich gefährlich, als sie sich der Spitze näherten, doch er war breit und die Pferde hielten sich an seinem oberen Rand. Steine rutschten unter ihren Hufen, rollten die Schräge hinab, klapperten über den Rand und fielen hinunter in den See, doch die Reisenden waren sicher.
Auf der anderen Klippenseite fanden sie wenig mehr als Fels, Gestrüpp und ein paar kümmerliche Bäume vor, die aus Spalten wuchsen. Eine flache Höhle mit dem Rücken zur Schlucht und zum Klippenpfad schien für ihr Lager am besten geeignet. »Wir werden kein weiches Bett haben«, sagte Bo, »aber die Höhle verbirgt unser Feuer. Hast du Hunger, Cousine?«
Bitterblue saß still auf einem Stein, doch ihre Hände umklammerten ihr Messer. Über Hunger hatte sie nicht geklagt, und auch über sonst nichts. Aber jetzt beobachtete sie mit großen Augen, wie Bo ihr bisschen Proviant auspackte, ein wenig Fleisch von der Nacht zuvor und einen kleinen Apfel, den sie den ganzen Weg vom Gasthof am Fuß des Gebirges in Sunder hergetragen hatten. Bitterblues Blick klebte am Essen und sie schien kaum zu atmen. Sie hatte Heißhunger, das konnte jeder sehen.
»Wann hast du zuletzt etwas gegessen?«, fragte Bo, während er Fleisch und Apfel vor sie legte.
»Ein paar Beeren heute Morgen.«
»Und davor?«
»Gestern. Gestern Morgen.«
»Langsam«, sagte Bo, als Bitterblue das Fleisch in die Hände nahm und mit den Zähnen ein großes Stück abriss. »Langsam, oder dir wird übel.«
»Ich steige in die Schlucht hinunter und hole uns mehrFleisch«, sagte Katsa. »Die Sonne wird bald sinken. Ich nehme ein Messer mit, Bo, wenn du für mich Wache hältst.«
Bo holte ein Messer aus seinem Stiefel und warf es ihr zu. »Wenn du eine Eule rufen hörst, lauf. Bei zwei Rufen lauf nach Süden. Bei drei Rufen lauf hierher zurück.«
Sie nickte. »Einverstanden.«
»Versuch es im Schilf südlich vom See«, sagte er. »Und stecke auf dem Weg hinunter ein paar Steine ein. Ich glaube, ich habe dort Wachteln bemerkt.«
Katsa schnaubte, sagte
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