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Die Beschleunigung der Angst

Die Beschleunigung der Angst

Titel: Die Beschleunigung der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Acker
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Ohren hatte eine skandinavische
Death-Metal-Band ihren Proberaum bezogen. Dort, wo der Pistolengriff ihn
getroffen hatte, schien flüssiges Feuer zu lodern.
    Irgendwie schaffte er es,
seine Arme unter den Oberkörper zu schieben und sich hochzudrücken. Die Muskeln
in seinen Oberschenkeln zitterten, als er endlich stand. Fast wäre er abermals
zu Boden gegangen, konnte jedoch einen Sturz durch einen Ausfallschritt
verhindern.
    Seine Augen, von den
ungünstigen Lichtverhältnissen sowieso überbeansprucht, lieferten zwei
verschiedene Bilder, die übereinanderzulegen ihm schwerfiel. So sah er das
Gesicht des feixenden Polizisten doppelt so breit vor sich, wie es in
Wirklichkeit war. Auch die Frau hatte einen missgestalteten Kürbis auf den
Schultern sitzen. Nur Piet der Stalker hatte einen Schädel, als hätte man ihn
in einem Schraubstock auf die Hälfte seiner ursprünglichen Form gedrückt. Das
letzte Bild hätte gerne Realität sein können.
    Daniel kniff die Augen
zusammen und drückte Zeigefinger und Daumen auf die Lider.
    »Bist du fertig,
Superheld?«, fragte Kurt. »Ich will reingehen.«
    Der Polizist drückte ihm die
Waffe in den Rücken. Die Mündung schien ihm ein kreisrundes Loch ins Kreuz zu
brennen. Daniel nahm die Finger von den Augen. Jetzt konnte er ein wenig besser
sehen.
    »Los geht‘s«, sagte der
Bulle und drückte die Waffe noch ein Stück fester in Daniels Rückseite. »Aber
schön langsam, und die Hände immer da, wo ich sie sehen kann.«
    Stolpernd setzte sich Daniel
in Bewegung, getrieben von einem Stück Metall und einem vom rechten Weg
abgekommenen Polizisten. Hinter sich hörte er, wie die Frau und ihr Entführer
ebenfalls auf das Haus zugingen.
    Welchen Schluss sollte er
daraus ziehen, dass der Polizist ihn nicht direkt erschossen hatte? Oder wollte
er es nur nicht im Freien machen? Obwohl, er hatte ja wie ein Verrückter in die
Luft geballert. Da hatte er auch keine Angst gehabt, dass ihn jemand hörte.
Vielleicht hätte er doch einfach wegrennen sollen, als er die Chance dazu
gehabt hatte. Aber wer weiß, was sie der Frau angetan hätten? Er beschloss,
jetzt mitzuspielen und auf eine günstige Möglichkeit zur Flucht zu warten. Was
anderes würde ihm wohl kaum übrig bleiben. Jetzt loszurennen wäre Selbstmord,
und er hatte das sichere Gefühl, das Diskussionen und Betteln beim
Ordnungshüter auf taube Ohren stoßen würden. Schlimmer noch, Daniel vermutete,
dass Kurt ausrasten würde, wenn man ihm auf die Nerven ging. Und eine Kostprobe
seiner Wut schien ihm gerade eine Schneise in den Kiefer zu ätzen.
    Sie umrundeten die Baumkrone
und stiegen die Treppen zur Eingangstür der Villa hinauf. Kurt schubste ihn
durch die Tür. Die Eingangshalle des Herrenhauses befand sich in einem
bedauernswerten Zustand. Es fiel schwer sich vorzustellen, dass damals genau
hier zur Begrüßung Sektkelche und erste Lachshäppchen gereicht worden waren.
Heute war die Empfangshalle ein nach Verwesung stinkender Raum mit, wenn
vorhanden, einem Boden aus morschen Dielen, die zum Großteil aufgequollen und
gesplittert waren. Mehrere Kerzen brannten in den Ecken, offensichtlich von
Piet entzündet, um es seinem psychopathischen Polizistenfreund so einladend wie
möglich zu machen. Schwarze Kerzen, wie Daniel feststellte.
    Linker Hand führte eine
schmale, gewundene Treppe, wenig breiter als er selbst, in den ersten Stock
hinauf. Daniel hatte den Grundriss des Hauses nur noch bruchstückhaft vor
Augen, konnte sich jedoch daran erinnern, dass dieser Aufgang für die
Dienstboten bestimmt gewesen war. Durch diese konnten sie die oben gelegenen
Gästezimmer und die Aufenthaltsräume erreichen, ohne die Familie in ihren
Aktivitäten zu stören.
    Die runde Waffenmündung
leitete Daniel durch eine Öffnung, in der früher mal eine Doppeltür die
Einganghalle von dem dahinter liegenden Flur getrennt haben musste. Jetzt sah
der Durchgang aus wie ein offenes Maul, und an den Türangeln hingen verrottete
Stücke Holz wie faule Zähne.
    Sie betraten den breiten
Gang. Die Wände waren mit abblätterndem Holz getäfelt. Helle ovale Flecke auf
den Wandverzierungen ließen auf eine Ahnengalerie schließen. Heute waren sie
mit Graffitis jeglicher Art besprüht. Angefangen von nicht zu entschlüsselnden
Zeichen über alle möglichen Darstellungen von Geschlechtsverkehr bis hin zu
Sprüchen, deren Inhalte von lustig zu anzüglich bis hin zu anklagend und völlig
unverständlich reichten.
    Dem Flureingang gegenüber
lag die

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