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Die Beschleunigung der Angst

Die Beschleunigung der Angst

Titel: Die Beschleunigung der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Acker
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ehemalige Küche, groß genug, als dass ein mittleres Hotel damit hätte
betrieben werden können. Der Boden war übersät mit Betonbrocken, und ein kurzer
Blick durch die Türöffnung zeigte, dass die Decke komplett eingestürzt war. Aus
all dem Betongeröll ragte eine grünstichige Abzugshaube wie eine traurige
Erinnerung an bessere Zeiten.
    Der Flur beschrieb einen
Rechtsknick, dem sie folgten. Das Zimmer neben der Küche war das ehemalige
Billardzimmer, wie Daniel sich erinnerte. Zumindest hatten er und Thomas das
aus ihren vorangegangenen Erkundungszügen geschlossen. Zwar war kein Billardtisch
zu sehen, doch sie hatten damals einen Spielstandzähler an der Wand hängen
sehen, wie man ihn oft in Billardkneipen neben den Tischen fand. Thomas hatte
versucht, das gut erhaltene Holzbrett aus der Wand zu ziehen, doch hatte sich
die Aufhängung als erstaunlich robust erwiesen, so dass sein Freund aufgegeben
hatte. Auch in diesem Zimmer war von einer Tür nichts mehr zu sehen, und die
Ränder der Türöffnung waren unförmig und ungleichmäßig. Es sah aus, als sei
dort drin ein Riese eingesperrt gewesen, der auf seiner Flucht nicht nur die
Tür, sondern auch Teile der Wand herausgerissen hatte. Ein Brummen verriet
Daniel, das in diesem Raum ein Generator lief. Auch hier brannten Kerzen, die
tapfer gegen die Dunkelheit ankämpften.
    Auf der gegenüberliegenden
Flurseite öffnete sich das Treppenhaus für die Bewohner und Gäste des Hauses.
Die Pulttreppe verschwand in einem schwarzen Loch, das jegliches Licht
aufzusaugen schien. Es sah nicht sehr einladend oder vertrauenerweckend aus.
    Sie ließen Billardzimmer und
Treppe liegen und gingen weiter bis zum Ende des Flurs. Das anschließende
Zimmer war tatsächlich durch eine Tür vom Gang getrennt, auch wenn diese so
schief in den Angeln hing wie ein betrunkener Matrose auf Landurlaub an einem
Laternenpfahl.
    Der Pistolenlauf drückte ihn
vorwärts, und Daniel stieß die Tür mit dem Fuß auf. Er und Kurt, die Frau und
Piet der Stalker betraten einen Raum, der mit der Bezeichnung Zimmer nur
unzureichend beschreiben war. Dies war der Ballsaal gewesen, wie Daniel sich
erinnerte. In der Tageszeitung hatte eine verblichene schwarz/weiß Fotografie
den Prunk dieses Raums gezeigt. Heute noch zeugten verrostete Vorrichtungen an
den Decken von den Kronleuchtern, die ihr weiches Licht auf die feiernde und
tanzende Gesellschaft geworfen und sie sanft ausgeleuchtet hatten.
    Doch wie im Rest des Hauses
war vom ehemaligen Glanz nichts mehr übrig geblieben. Es fiel schwer, sich
vorzustellen, dass die einflussreichsten Persönlichkeiten vergangener Zeiten
hier gefeiert haben sollen.
    Daniel sah sich um, während
er in den Raum hineinstolperte. Im Gegensatz zu den schwarzen Kerzen brannten
hier zwei Scheinwerfer, die ihren Strom den Kabelverbindungen zufolge vom
Generator aus dem Nebenraum bezogen.
    Dort, wo die Wände des Raums
getäfelt gewesen waren, war die abblätternde Farbe von einem helleren Braun als
im oberen Teil. Schimmel zog sich über große Bereiche des Mauerwerks. Aus der
Decke waren großflächig Stücke Beton herausgeplatzt. In der Wand sah er
grünspanige Kupferrohre, die sich durch das Mauerwerk zogen und schon
Jahrzehnte kein Wasser oder Öl transportiert hatten. Es roch so intensiv nach
Salpeter, dass der Geruch etwas Körperliches zu haben schien.
    Daniels ungutes Gefühl,
sowieso kaum steigerungsfähig, verstärkte sich weiter, als er den ausgeleuchteten
Bereich am anderen Ende des Saals näher betrachtete. An der Seitenwand des
Raums lag eine blanke Matratze. Sie war fleckig und an einigen Stellen so
abgenutzt, dass Daniel morsche Federn durch fadenscheiniges Material schimmern
sehen konnte. Ein Stuhl der Sorte Hinternschmerzen stand neben der Matte. Es
sah aus wie ein Filmset für Arme. Wann hatten sie das ganze Zeug hier
aufgebaut? Das hier musste schon länger stehen, denn Daniel hatte Piet und auch
Kurt nichts davon ins Haus tragen sehen. Also hatten sie das hier schon länger
geplant, nur der genaue Zeitpunkt schien nicht festgestanden zu haben, Kurts
Reaktion bei seinem Eintreffen zu folgen.
    »Hinsetzen«, sagte Kurt, und
unterstrich seine Worte mit einem Stoß in Daniels Rippen. »Dort an der Wand vor
die Heizung. Wir haben nicht genug Stühle. Haben nicht mit Besuch gerechnet.«
    Daniel setzte sich auf den
Boden. Er war froh, nicht mehr die Waffe im Rücken spüren zu müssen, auch wenn
sich seine Situation natürlich nicht verbessert hatte. Sofort

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