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Die Beschleunigung der Angst

Die Beschleunigung der Angst

Titel: Die Beschleunigung der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Acker
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spürte er die
Kälte, die sich durch seine Shorts fraß wie ein Raubtier und sich zur Kälte in
seinem Inneren gesellte. Er sah, wie Piet die entführte Frau auf den Stuhl
drückte.
    »Zuerst ihn«, sagte Kurt,
griff mit der freien Hand in die Tasche seiner Uniformjacke und nestelte
mehrere bunte Kabelbinder heraus.
    Piet machte sich an die
Arbeit. Er band Daniel die Hände hinter dem Rücken zusammen und fesselte sie
dann an dem alten gusseisernen Rippenheizkörper, der den Test der Zeit
bestanden und erstaunlich robust in der Wand hing.
    »Scheiße, das tut weh!«,
rief er, als Piet ihm die Binder um die Handgelenke so fest zuzog, dass er um
die Durchblutung seiner Finger fürchtete.
    »Halt‘s Maul«, zischte Piet,
ließ aber von ihm ab.
    »Okay, und jetzt sie«, sagte
Kurt. »Und zieh ihr das Shirt über.«
    Der Polizist reichte seinem
Komplizen ein dreckiges Kleidungsstück, das auf der Matratze gelegen hatte.
    »Warum?«, fragte Piet. Aus
seiner Stimme war mehr als nur ein Schuss Enttäuschung herauszuhören.
    »Weil ich es dir sage. Los
jetzt.«
    Piet ging zu der Frau und
griff ihre Hände. Sie hielt den Kopf gesenkt, so dass ihre Haare ihr Gesicht
verbargen.
    »Streck die Arme aus,
Schlampe«, sagte er, die harschen Worte ein harter Kontrast zu seiner sanften
Stimme.
    Die Frau gehorchte, und Piet
stieß grob ihre Hände durch die Armöffnungen. Schließlich hatte er auch ihren
Kopf durch die Öffnung gezwängt und ließ den Stoff über ihren Oberkörper
fallen.
    »Gut«, sagte Kurt. »Und
jetzt fessel sie.«
    Piet tat wie geheißen. Während
des gesamten Vorgangs war keine Regung bei der Frau auszumachen. Sie ließ alles
über sich ergehen, den Kopf gesenkt, die Arme schlaff, die Beine angewinkelt.
Daniel erschrak. Es sah aus, als hätte sie aufgegeben, als wäre alle Hoffnung,
aller Lebensmut zwischen Freibad und Villa aus ihr herausgeflossen.
    Nach getaner Arbeit stand
Piet auf.
    »Was machen wir jetzt?«,
fragte er den Polizisten.
    Kurt antwortete ihm nicht.
Stattdessen wandte er sich an die beiden Gefangenen.
    »Wir lassen euch nun allein,
denn wir müssen ein wenig umdisponieren.« Seine Stimme klang freundlich, als
würde er mit Kindern reden. »Wenn ihr so blöd sein solltet, zu schreien, oder
mir anderweitig auf den Sack gehen wollt, werde ich euch wehtun. Und zwar
richtig. Ihr werdet euch wünschen, dass euer kleines, reines Herz stehenbleibt,
nur damit ihr nichts mehr fühlen könnt, verstanden? Wenn ihr versuchen solltet,
euch zu befreien oder mich zu verarschen, verdopple ich diese Schmerzen. Ich
hoffe, ich habe mich klar ausgedrückt.«
    Daniel nickte, schaffte es
jedoch nicht, dem Polizisten in die Augen zu sehen. Die Frau reagierte nicht.
    »In Ordnung«, sagte Kurt und
klatschte in die Hände. Im leeren Ballsaal klang es wie der Schuss aus einer
Schrotflinte. »Dann wollen wir euch mal allein lassen. Lernt euch ein wenig
kennen oder schweigt euch an. Wie ihr wollt. Aber vor allem: Freut euch auf
das, was noch kommt.«

Kapitel 10
     
    Piet knallte die Tür hinter
sich zu. Das verzogene Holz protestierte. Daniel lehnte den Kopf zurück und
schloss die Augen. Auf was sollte er sich freuen? Er wusste es nicht. Was er
allerdings wusste, war, dass es nichts Gutes für ihn und die Frau bedeuten
konnte. Er betrachtete die summenden Scheinwerfer, die vom Generator aus dem
Nebenraum mit Strom gespeist wurden und die Matratze in ein derart grelles
Licht badete, dass sie in Flammen zu stehen schien.
    Der raue, aufgeplatzte Putz
der Wand kratzte seinen Hinterkopf. Seine Unterarme prickelten, und es fühlte
sich an, als würden sie einschlafen. Er versuchte, seine Sitzposition so zu
verändern, dass er seine Arme entlasten konnte, doch die ineinander
verflochtenen Plastikschnüre zogen sich nur noch enger zusammen. Er verzog das
Gesicht, als sie sich tiefer in sein Fleisch schnitten.
    Doch so wie er jetzt saß,
konnte er nicht lange verharren. Er spürte, wie sich seine Rückenmuskeln von
Sekunde zu Sekunde weiter verhärteten und verspannten. Wenn er noch länger in
dieser unbequemen Haltung sitzen blieb, würde er morgen einen Muskelkater aus
der Hölle begrüßen dürfen.
    Er öffnete die Augen und sah
sich um. Als wäre Muskelkater seine größte Sorge. Er wäre froh, wenn er
überhaupt noch etwas würde spüren können, denn das hieße, zumindest noch am
Leben zu sein. Und das bezweifelte er. Er wusste zwar nicht, was der Polizist
und sein Handlanger mit ihm und der Frau vorhatten, doch er

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