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Die Beschleunigung der Angst

Die Beschleunigung der Angst

Titel: Die Beschleunigung der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Acker
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geblieben, um auf Kollegen zu
achten, die unvorhergesehen vorbeikommen. Keiler hat im Schalterraum gewartet
und so getan, als würde er Kontoauszüge ziehen und Geld abheben.«
    Xerxes wedelte gelangweilt
mit der Hand.
    »Interessiert mich nicht.
Was ist schiefgelaufen?«
    Daniel entging nicht, wie
Marco ins Plappern kam, und hielt es für ein sicheres Zeichen von Nervosität.
Marco hatte sichtlich Angst vor dem zu kurz geratenen Mann, obwohl er ihm
körperlich dreimal überlegen war.
    »Ich habe das Schließfach
aufgebrochen und geleert. Alles lief nach Plan.«
    »Ach ja? Dafür suchen aber
verdammt viele Polizisten nach euch. Ihr seid die Nummer eins. Nicht nur in den
Lokalnachrichten, auch überregional. Und das kann ich nicht gebrauchen. Komm
schon, Marco, gib mir was Besseres. Einen Grund, euch nicht einfach umzulegen.«
    Die Beiläufigkeit, mit der
Xerxes das sagte, ließ Daniel vergessen, Luft zu holen. Erst als seine Lungen
anfingen zu brennen, sog er wieder Sauerstoff durch die Nasenlöcher.
    »Alles lief optimal, bis der
Polizist in den Vorraum kam, um Geld am Automaten zu ziehen. Keiler hat
gedacht, wir wären aufgeflogen, der Bulle wäre nur die Vorhut einer ganzen
Herde, einer verdammten Bullenstampede. Also wollte er ein Zeichen setzen, hat
seine Waffe gezogen und in die Decke geschossen. Danach ging es im Schalterraum
drunter und drüber. Keiler wollte noch einen Warnschuss abgeben und traf dabei
einen Angestellten. Er hat falsch reagiert, aber er bereut es.«
    »Ja«, sagte Keiler, der
aussah wie ein kleiner Junge, dessen Mutter seinen Playboy unter dem Bett
gefunden hatte. Oder wie ein kleiner Junge, der dem schwarzen Mann von
Angesicht zu Angesicht gegenübersteht. »Ich habe überreagiert. Das war falsch
von mir.«
    Xerxes nickte, als würde er
verstehen. Dann wandte er sich an seinen Bodyguard.
    »Erschieß ihn. Ich brauche
keine Cowboys, die überreagieren.«
    »Nein«, rief Keiler, doch
der Mann mit der Maschinenpistole stand schon vor ihm und schoss ihm eine Salve
in den Oberkörper. Keiler kippte nach hinten und schlug hart auf dem Boden auf.
Daniel zweifelte keine Sekunde daran, dass er schon tot gewesen war, bevor er
auf dem Beton aufschlug. Trotzdem beugte der Bewaffnete sich über ihn und
entlud einen weiteren Patronenhagel in Keilers Kopf. Daniel sah das Blut aus
dem Kopf des Toten spritzen und den Boden sowie die aus den Angeln gekippte Tür
bespritzen.
    Der Mord an Piet war eine
Tat aus Wut gewesen, ein Mord aus Rachsucht, begangen von Keiler, der endlich
irgendjemandem die Schuld am Tod seiner Schwester geben wollte. Ein Mord aus
Leidenschaft, die Keiler überschwappt hatte wie eine Sturmflut eine
unzureichende Deichbefestigung. Der Mord an Keiler dagegen war eine Exekution
gewesen, völlig gefühllos und ohne jegliches Zögern oder Überlegen. Daniel
hatte Menschen gesehen, die mit mehr Emotionen Fliegen erschlagen hatten.
    Brennende Glühwürmchen
schossen durch sein Blickfeld, und er wusste, dass er kurz davor stand, das
Bewusstsein zu verlieren. Dunkelheit kroch in seinen Augenwinkeln heran, bereit
ihn zu umhüllen und in sich aufzunehmen. Neben sich hörte er Karla, die gierig
Luft durch die Nase einzusaugen und gleichzeitig auszustoßen schien. So wie es
sich anhörte, war sie drauf und dran zu hyperventilieren. Daniel sah sie an und
erschrak, als er nur noch die unteren Bögen ihrer Regenbogenhaut erkennen
konnte. Ansonsten waren ihre Augen vollständig Augapfelweiß.
    Als die Glühwürmchen starben
und aus seinem Blickfeld fielen, blickte Daniel zu dem Menschenpulk, der um
eine aus den Angeln gefallene Tür und einen aus dem Leben gefallenen Mann
stand.
    Er sah Marco, die Kiefer so
fest zusammengepresst, dass die Wangenknochen wie stumpfe Waffen durch die Haut
stachen. Yvonne, die wieder begonnen hatte, ihre wundervollen Haare so
gründlich zu raufen, als suche sie Kleingeld darin. Kurt, der gefesselt und
gedemütigt an der Wand stand und erstmals so aussah, als hätte sein zur Schau
gestelltes Selbstbewusstsein Risse erhalten. Keilers Mörder, der so gelangweilt
aussah, als warte er auf den nächsten Bus zur Arbeit. Und natürlich Xerxes, die
Bügelfalte seiner Hose so scharf, dass er einem die Kehle damit hätte
durchschneiden können, hätte er dafür nicht einen Mann mit einer
Maschinenpistole. Und immer noch dieses angedeutete Lächeln, zu dem die toten
Regenwürmer sich verzogen hatten.
    »Also, habt ihr, was mir
gehört?«, fragte er Marco.
    »Ja ... ja, wir haben

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