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Die Beschleunigung der Angst

Die Beschleunigung der Angst

Titel: Die Beschleunigung der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Acker
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los. Mit einem satten Laut klatschte er an die Wand, rutschte mit
einem knisternden Geräusch zu Boden. Yvonne rannte ihm nach, versetzte ihm
einen Tritt. Der Rucksack hob ab und flog bis zur nächsten Wand, wo er neben
dem Polizisten liegenblieb. Hätte sie sich nicht dafür entschieden, eine
bankraubende Bankerin zu werden hätte sie mit Sicherheit eine passable
Fußballerin abgegeben.
    »So eine Scheiße!«, brüllte
sie abermals, lehnte sich an die der Flügeltür gegenüberliegenden Wand und ließ
sich herunterrutschen, das Gesicht in den Händen vergraben. Sekunden später sah
Daniel ihre Schultern zucken.
    Marco hatte seine Freundin
nur beobachtet, sie sich austoben lassen, doch jetzt erwachte er aus seiner
Starre und ging zu ihr. Er kniete sich vor sie und legte ihr erst eine, dann
beide Hände auf die Schultern. Zog sie zu sich ran, flüsterte ihr ins Ohr.
Daniel verstand kein Wort, wollte es auch nicht. Er hatte seine eigenen Sorgen.
Zum Beispiel war er damit beschäftigt, nicht komplett den Verstand zu verlieren.
Sein Leben, so wurde ihm jetzt klar, war bisher so wohlbehütet gewesen, wie es
nur sein konnte. Als Jugendlicher ein wenig Randale hier, eine kleine
Schlägerei dort, doch von solchen Gewaltexzessen wie heute war er weiter
entfernt als ein Kreisligafußballverein von der Champions League.
    Er warf einen Blick auf das
Mädchen neben ihm. Karla schien sich so weit beruhigt zu haben, dass sie ihre
Atmung unter Kontrolle hatte. Auch ihre Augen waren nicht mehr zu diesem
furchterregenden Zombieblick verdreht. Er nickte ihr zu. Mit einer kurzen
Verzögerung erwiderte sie sein Nicken.
    Es ist in Ordnung ,
sagten ihre Augen. Ich lebe noch.
    Er schloss die Lider,
öffnete sie wieder. Nickte.
    Sie wiederholte es und er
beruhigte sich ein wenig, wertete ihre Reaktion als gutes Zeichen. Allemal
besser, als eine Karla mit hängendem Kopf und Lichtjahre von der
hyperventilierenden, augäpfelverdrehenden Karla von vor einigen Minuten
entfernt.
    »Es ist einfach nicht fair«,
sagte Yvonne jetzt, und Daniel richtete seine Aufmerksamkeit auf die rothaarige
Bankerin. »Nicht fair.« Sie schüttelte den Kopf.
    Marco hielt sie immer noch
umklammert.
    »Ich weiß«, sagte er. »Ich
weiß.«
    »Alles wegen dieser
Scheißkohle! Das ist doch Scheiße.«
    Daniel konnte die Tränen in
ihrer Stimme hören.
    »Wir haben gewusst, dass
jeder Plan, sei er auch noch so simpel, seine Variablen hat. Wir waren uns alle
bewusst, dass eine Menge schiefgehen kann.« Marco nahm ihr Gesicht in beide
Hände. »Wir alle haben das gewusst. Auch Keiler.«
    »Es ist einfach nicht fair«,
sagte Yvonne. »Er hat keinem was getan.«
    Natürlich hat Keiler keinem
was getan , dachte Daniel. Außer Piet vielleicht. Dem hat er den
Hinterkopf weggeschossen, nachdem er dessen Gesicht auf einem kochend heißen
Scheinwerfer gegrillt hatte. Aber ansonsten war er eine Seele von Mensch. So
schnell geht das also mit der Verklärung.
    »Es ist alles meine Schuld«,
sagte Marco jetzt.
    Yvonne sah ihm in die Augen.
    »Unsinn. Wie du selbst
gesagt hast, wir wussten alle, dass Pläne schiefgehen können.«
    Marco schüttelte den Kopf.
Daniel konnte es nicht genau sagen, aber er glaubte zu sehen, dass die
außergewöhnlich blauen Augen des großen Mannes einen feuchten Schimmer
angenommen hatten. Aber das konnte im Licht der Scheinwerfer auch täuschen.
    »Das ist es ja. Es war mein
Plan. Er war einfach nicht gut genug. Und nun ist Keiler tot. Und dieser
Perverse da drüben. Dafür trage ich die Verantwortung.«
    Er ließ den Kopf auf die
Brust sacken, als trüge sein Hals eine Last, die er nicht mehr stemmen konnte.
    Yvonne ging zu ihm und griff
mit einer Hand sein Kinn, hob seinen Kopf an.
    »Das ist Unsinn, und das
weißt du. Wir alle tragen die Verantwortung. Und deshalb müssen wir aufhören.
Lass es hier enden, Marco.«
    Marcos Gesicht zeigte
Bestürzung.
    »Aufhören? Du willst einfach
aufhören? All das, was wir durchgemacht und aufgebaut haben, einreißen und
vergessen?«
    Yvonne zeigte auf die
Tasche.
    »Wir haben das Geld, Marco.
Wir können untertauchen bis Gras über die Sache gewachsen ist.«
    Marco schüttelte den Kopf
und Yvonne zog ihre Hand von seinem Kinn zurück, ließ sie scheinbar unschlüssig
einen Moment in der Luft hängen. Dann ließ sie sie fallen.
    »Wir könnten untertauchen,
ja. Aber wir hätten nicht nur die Bullen am Hintern kleben. Viel schlimmer wäre
Xerxes. Und du weißt, dass er uns schneller finden würde als die Polizei.

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