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Die Beschleunigung der Angst

Die Beschleunigung der Angst

Titel: Die Beschleunigung der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Acker
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Zunge über ihre Lippen, um sie zu befeuchten und zu prüfen, ob dem
Klebeband vielleicht ein Stück Haut zum Opfer gefallen war.
    Daniel wollte ihr ein
weiteres aufmunterndes Lächeln schenken, ließ es dann jedoch. Vielleicht sah er
einfach zu irr aus, wenn er lachte, so voller Dreck und mit Blut beschmiert,
mit verschwollenem Gesicht und abgerissener Kleidung.
    »Gern geschehen«, sagte er
deshalb nur und löste Hand- und Fußfesseln.
    »So«, sagte er, als er die
letzte Fessel durchtrennt hatte. »Kannst du stehen?«
    Karla stützte sich auf ihn,
als sie die Knie durchdrückte, und schließlich schwankend, doch mit jeder
Sekunde sicherer auf den Füßen stand.
    »Ich bin beeindruckt,
Daniel. Ich hätte nicht gedacht, dass du derjenige sein würdest, der von
draußen wiederkommt. Ich hätte mein gesamtes Geld auf den Großen gesetzt.
Respekt!«
    Daniel wirbelte herum, den
Klappspaten über den Kopf erhoben, bereit, jedem den Schädel einzuschlagen, der
sich ihnen näherte. Doch das war nicht nötig. Kurt lächelte ihn von der anderen
Seite des Raums an. Das Klebeband hatte sich von seinem Mund gelöst und hing
wie ein toter Streifen Haut von seinem Kinn herab.
    »Wie hast du das
hingekriegt?«, fragte Daniel.
    Der Polizist zuckte die
Achseln, was mit über dem Kopf verbundenen Händen irgendwie komisch aussah.
    »Alter Trick, bei dem man
viel mit seiner Spucke und seiner Zunge arbeiten und den Würgereflex überwinden
muss. Wirklich ekelhaft, aber halb so wild. Und jetzt sei ein braver Junge und
befreie mich.«
    Daniel schnaubte. Er ließ
den Klappspaten fallen und nahm Yvonnes Pistole an sich.
    »No way. Keine Chance.
Lieber gebe ich es mir den ganzen Tag mit der Neunschwänzigen.«
    Der Polizist schüttelte den
Kopf, so dass das Klebeband um sein Kinn schlackerte.
    »Daniel, überleg doch mal.
Bisher hast du alles richtig gemacht. Du bist der Held. Die Zeitungen werden
dich feiern. Der Typ von nebenan, der es den Gangstern gezeigt und die hübsche
Jungfrau gerettet hat. Du kannst mich nicht einfach hier hängenlassen.«
    Daniel warf einen Blick auf
Karla, die sich die Handgelenke rieb. Sie schüttelte heftig den Kopf, als sie
seine unausgesprochene Frage in den Augen las.
    »Nein«, sagte sie.
    Daniel nickte und wandte
sich wieder an Kurt.
    »Doch, das kann ich. Und das
werde ich. Ich wünsche dir viel Glück.« Er griff Karlas Hand und wandte sich zur
Tür, drehte sich aber nochmal zum Polizisten. »Obwohl, das war gelogen. Ehrlich
gesagt wünsche ich dir, dass du verreckst. Auf Nimmerwiedersehen, Kurt.«
    »Nicht so schnell,
Supermann.«
    Daniel blieb stehen, wohl
wissend, dass er weitergehen sollte.  Die Zeit war knapp, er spürte sie
wegbrennen wie eine Lunte an einer Comickanonenkugel. Auch Karla schien es zu
spüren.
    »Lass uns gehen, Daniel.
Bitte«, sagte sie.
    Kurt sprach unbeirrt weiter.
    »Du denkst nicht zu Ende,
Daniel. Weißt du, ich könnte dir jetzt rührselige Geschichten erzählen, wie
Piet mich hier mit reingezogen hat. Wie er mich überredet, diesen Ort hier
ausgesucht und alles geplant hat, dieser Vollidiot. Wie er mich unter Druck
gesetzt hat, ihn zu filmen, wie er sie erst fickt und dann absticht. Oder
umgekehrt. Piet hat das nicht so genau genommen.«
    Daniel schmeckte Galle auf
der Zunge. Am liebsten hätte er Kurt in sein feistes Gesicht geschossen, bis
das Magazin leer war. Danach würde er ihn mit dem Klappspaten bearbeitet, bis
sein Kopf nur noch ein Klumpen roten Matschs war und nichts mehr an ihn
erinnerte.
    »Halts Maul«, sagte er.
    Doch Kurt dachte gar nicht
dran.
    »Aber das tue ich nicht. Ich
schiebe die Verantwortung nicht von mir weg, wie es ein Loser tun würde. Ich war
genau so geil drauf wie Piet. Wir wären eine große Nummer geworden in gewissen
Kreisen. Legenden. Das kannst du mir glauben.«
    Karla zerrte wieder an
seinem Arm, stärker diesmal.
    »Wir müssen los, Daniel.
Jetzt!«
    Daniel nickte ihr zu, dann
wandte er sich wieder an den Gefesselten.
    »Wir sagen der Polizei, dass
du hier bist. Sie werden dich dann wohl retten, es sei denn, du bist genauso
beliebt bei deinen Kollegen wie bei uns. Dann werden sie dich wohl verrecken
lassen. Wäre auch in Ordnung.«
    Kurt schnalzte mit der
Zunge. Wie brachte der Kerl das eigentlich zuwege, dass man das Gefühl hatte,
er könne hier die Forderungen stellen? Daniel musste sich daran erinnern, dass
er das Sagen hatte, nicht der gefesselte Polizist.
    »Und wieder denkst du nicht
zu Ende, Daniel. Wenn du von hier fortgehst,

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