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Die Beschleunigung der Angst

Die Beschleunigung der Angst

Titel: Die Beschleunigung der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Acker
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dachte
Daniel. Verschwindet von hier! Lasst diesen Irrsinn endlich enden. Ich habe
keine Kraft mehr!
    »Nein«, sagte Marco, und
dieses Wort hallte klar und deutlich durchs Treppenhaus. Karla krallte ihre
Hand fester in die Daniels.
    Sie konnten hier auf dem Treppenabsatz
zwischen den zwei Stockwerken nicht bleiben, mussten sich im Obergeschoss vor
Marco und Yvonne verstecken. Einen Platz finden, an dem man sie nicht finden
konnte.
    »Können ... nicht ... weg«,
hörte Daniel Marco ausstoßen.
    Daniel tastete nach der
ersten Stufe des zweiten Treppenabschnitts ins Obergeschoss. Schritt für
Schritt rutschte er über den Boden, schleifte über Unebenheiten, Staub und
Betonbröckchen, bis seine Füße gegen einen Widerstand stießen. Da war sie! Er
zog die Taschenlampe aus seiner Hosentasche und schaltete sie an. Hier waren
sie von Marco und Yvonne nicht mehr zu sehen und mussten sich keine Gedanken
machen, dass sie sich zur Zielscheibe machten.
    Karla sog scharf die Luft
ein, als das Licht aus der zylinderförmigen Lampe strömte und der Lichtkegel
ein helles Dreieck aus der Dunkelheit schnitt. Dass es die richtige
Entscheidung gewesen war, die Leuchte zur Hilfe zu nehmen, zeigte sich, als
Daniel den Aufgang beleuchtete. Schon ab der übernächsten Stufe klaffte mittig
ein riesiges Loch, dass ihnen einen unangenehmen Sturz und eine noch weitaus
unangenehmere Landung beschert hätte.
    »Das hätte wehgetan«, sagte
Karla. Ihre Stimme war kaum mehr als ein Hauchen. Abermals überraschte sie ihn,
als sie ihm die Taschenlampe aus der Hand nahm und ihn hinter sich her die
Treppe hinauf führte. Karla leuchtete die Treppenstufen vor ihnen aus, und sie
gingen nahe der Wand. Dort hatten sie einen knappen halben Meter Platz, den
dunklen Schlund in den Stufen zu passieren, ohne einen unfreiwilligen Flug zu
absolvieren.
    Daniel achtete auf jedes
Geräusch, als er die Stufen erklomm, um sich gegen Löcher, die kurzfristig
aufzutreten drohten, zu wappnen. Er hörte Marco und Yvonne, die am
Treppenabsatz scheinbar immer noch diskutierten. Hoffentlich setzte die
Bankerin sich durch und sie verabschiedeten sich aus seinem und Karlas Leben.
Doch er vermutete, dass er so viel Glück nicht haben würde. Ob verletzt oder
nicht, Marco würde weiterhin der Kopf ihrer geschrumpften Bande sein. Und wenn
er seinen Job zu Ende bringen wollte, würde seine Freundin mitziehen.
    Viele Geräusche kämpften um
die Vorherrschaft in Daniels Gehörgängen. Über ihm arbeitete das Dachgebälk,
ächzte und stöhnte unter der Last der Jahre und des Verfalls. Karla vor ihm
keuchte nicht mehr, atmete jedoch vernehmlich. Das Scharren ihrer beider
Schuhe, die sich vorsichtig Schritt für Schritt und Stufe für Stufe
hinaufkämpften. Ein Tier - vielleicht ein schüchterner Marder - der aus dem
umherstreifenden Licht der Lampe flüchtete und dessen Krallen auf dem Beton
scharrten.
    Doch von unten keine
Schritte. Auch keine Stimmen. Vielleicht hatten die beiden entschieden, Kurt in
den Keller zu folgen. Hoffentlich.
    Dann waren sie am Loch
vorbei. Kurz darauf erreichten sie das Obergeschoss.
    »Warte kurz«, sagte Daniel
und blieb stehen, ließ die Taschenlampe kreisen und versuchte sich zu
orientieren, kramte in seinem Gedächtnis nach dem Grundriss der Ruine.
    Der Salpetergestank hier
oben war noch stärker als im Erdgeschoss. Wie ein Eindringling stahl er sich in
die Nase, legte sich auf die Schleimhäute und krallte sich fest. Die grauen
Betonwände waren von schwarzem Schimmel marmoriert.
    Linker Hand ging es auf die
Empore, die die Eingangshalle umrundete. Daran vorbei führte ein Flur in die
ehemaligen Dienstmädchenunterkünfte. Vom Flur zweigten mehrere Türen oder
Öffnungen ab. Hinten rechts lag ein ehemaliges Schlafzimmer, dessen Boden
jedoch eingestürzt und ein Stockwerk weiter unten in der Küche verteilt lag.
Daneben ebenfalls ein Zimmer, allerdings mit intaktem Fußboden und Blick auf
den Swimmingpool.
    Die Taschenlampe entriss auf
der rechten Seite ebenfalls einen Flur der Dunkelheit. Auch hier zweigten
verschiedene Zimmer links und rechts ab, wahrscheinlich ebenfalls ehemalige
Schlaf- und Gästezimmer sowie Aufenthaltsräume. Ganz hinten sah Daniel eine
schmale Treppe nach oben führen. Er erinnerte sich, dass die schmalen Stufen in
das Turmzimmer führten, das den höchsten Punkt des Hauses beschrieb und ein
atemberaubendes Panorama über die Wälder des Hintertaunus bis zu den
Wolkenkratzern Frankfurts bot. So sehr er sich vorstellen

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