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Die Beschützerin

Die Beschützerin

Titel: Die Beschützerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Kliem
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hatte.
    Er schüttelte den Kopf. »Da ist was Neues im Gange. Ich weiß nicht, was er gemeint haben könnte. Verdammt, ich kann nie voraussehen, was sie als Nächstes tut. Sie ist unberechenbar.«
    Â»Sie haben sie vor einer neuen Katastrophe gewarnt. Ihnen waren die Parallelen zu Hamburg bewusst, und Sie hatten Angst, dass das gefährlich werden könnte. Trotzdem haben Sie geschwiegen. Warum?«
    Er schwitzte stark und fuhr sich mit einem Stofftaschentuch übers Gesicht. »Weil … ich gehofft hatte, dass sie nicht noch mal so weit geht. Aber sie ist noch besessener als damals.«
    Â»Besessen wovon?«
    Er zuckte die Schultern. »Wenn ich das wüsste. Bis zu der Sache in Hamburg dachte ich, ich kenne sie ganz gut. Wir haben gemeinsam angefangen bei Bloomsdale. Das schweißt zusammen. Wir waren blutjung, kamen frisch aus dem Studium. Der Job war heftig. Das System funktioniert, weil sich jeder ständig leicht überfordert fühlt, hat mal ein Kollege gesagt. Das fördert den Drive. Und die Angst. Wenn Sie zwölf bis fünfzehn Stunden am Tag arbeiten, dann müssen Sie brennen für den Job, für die Firma. Da ist kaum Zeit fürs Privatleben. Für die Familie. Die meisten von uns leben allein. Unsere Familie heißt Bloomsdale Consulting. Nur dass hier nicht mit Liebe belohnt und bestochen wird, sondern mit Boni, mit Incentive-Reisen, Hilton-Hotelpunkten, Dienstwagen. Am nächsten stehen einem die Leute, mit denen man die ersten internationalen Beratertrainings besucht hat. Die Netzwerke halten ewig. Die wissen, wie man denkt und tickt, wie es sich anfühlt, harte Beurteilungen und Zielvereinbarungen zu bekommen, wenn jedes Jahr die Messlatte höher gesetzt wird. Wer zweimal die Bewertung ›low‹ oder ›failed‹ bekommt, ist draußen.«
    Â»Ich vermute, mit dem Druck können schon psychisch gesunde Menschen schwer umgehen?«
    Er verzog den Mund. »Das soll keine Rechtfertigung für Frau Otts Verhalten sein. Und auch keine für meines.«
    Ich sah ihn an. »Sie haben gesagt, Sie könnten mir helfen.«
    Â»Nein, habe ich nicht. Ich habe gesagt: Kontaktieren Sie mich, wenn Sie Hilfe brauchen. Das ist ein Unterschied.«
    Ich musste wider Willen lachen, seine aalglatte Art war einfach absurd. »Was mit mir geschieht, ist nicht wichtig für Sie, das hab ich schon verstanden. Sie handeln erst, wenn die Gefahr für Sie selbst zu groß wird. Also, was müsste passieren? Müsste Vanessa Ott mir etwas antun? Oder ich mich umbringen, mit einem Abschiedsbrief, der Bloomsdale Consulting belastet? Reicht es nicht, dass Sie Ihren Job verlieren werden, wenn die nächste Beförderung ansteht? Vanessa Ott hat Eichstätt in der Hand. Was glauben Sie, wen er zum Junior Partner macht?«
    Er blickte zu Boden, und der Schweiß lief ihm über die Stirn in die Augen, doch er schien es nicht zu bemerken. »Die Sache mit diesem Brief …«, sagte er langsam. »Vielleicht ist das etwas, womit ich arbeiten kann.«
    Ich musste nicht lange warten, bis sich das Geheimnis um den Brief lüftete. Am nächsten Morgen, nach einer weiteren Nacht auf Ullas Sofa, wurde ich zu einem Termin in die Vorstandsetage bestellt. Sofort.
    Die Sekretärin betrachtete mich mit ängstlichem Blick, als ich ins Vorzimmer kam.
    Â»Weißt du, worum es geht?«, fragte ich sie leise.
    Â»Nein, aber die Stimmung ist ziemlich aufgeheizt. Lehner hat vorhin Lucy angebrüllt. Ich habe ihn noch nie so schreien hören.«
    Mit einem beklommenen Gefühl klopfte ich und trat ein. Neben Lehner saß Lucy. Ihr Mund war zu einem schmalen Strich zusammengekniffen. Auf dem Konferenztisch lagen ein bedrucktes Blatt Papier und ein Briefumschlag.
    Â»Frau Amelung«, begann Lehner ohne Begrüßung, »wir haben heute ein anonymes Schreiben bekommen. Darin wird behauptet, dass Sie in den letzten drei Jahren bei der Auftragsvergabe für die Konzerte zum Smiling Kids Day knapp über 100 000 Euro in bar als Anreiz zur Entscheidungsfindung erhalten haben. Von einem Technikdienstleister.«
    Ich blickte von ihm zu Lucy. Anreiz zur Entscheidungsfindung? Bestechung? Ich fühlte mich vollkommen ruhig. Er hatte ja nicht von mir gesprochen. Er konnte das doch nicht glauben …? Das also war der Brief.
    Â»Frau Amelung?« Lehners Stimme klang nun schärfer. »Nehmen Sie bitte dazu Stellung.«
    Ich schüttelte lächelnd

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