Die Beschützerin
sowieso nur die Hitze herein.«
Die Kopfschmerzen hatten nachgelassen, ich war in einer Art Dämmerzustand, den ich als angenehm empfand. Die Arbeit, die verpatzte Präsentation, das alles schien mir wie in dichten, kühlen Nebel gehüllt. Auch meine Angst, wie es nun weitergehen sollte, hatte sich in ein undurchdringliches, weiÃes Niemandsland verkrochen.
Vanessa Ott kam ins Zimmer und stellte eine Karaffe mit Wasser, in dem Eiswürfel schwammen, ein Glas und einen Teller mit Zwieback auf den Nachttisch.
»Sie sollten ein bisschen essen«, meinte sie. »Die Tabletten soll man nicht auf nüchternen Magen nehmen. Und Ihr Hühnchen im Nice Place haben Sie ja kaum angerührt.«
Ich nickte. Am liebsten hätte ich die Augen zugemacht und mich dem Schwebezustand überlassen.
Sie zog meinen Korbsessel aus der Ecke näher an mein Bett und setzte sich. »Probieren Sie einen Zwieback.«
Warum konnte sie mich nicht allein lassen?
»Sie müssen doch sicher ins Büro zurück«, sagte ich und erschrak, wie schleppend meine Stimme klang. »Herr Winter â¦Â«
»Ich hab ihm Bescheid gesagt. Es handelt sich schlieÃlich um einen Notfall. Ich möchte zuerst sicher sein, dass es Ihnen gut geht.«
Sie rückte den Teller näher zu mir und füllte das Glas. Die Eiswürfel klirrten. Ich richtete mich ein wenig im Kissen auf, trank einen Schluck und biss in einen Zwieback.
»Gut.« Sie lächelte. »Gibt es jemanden, der sich weiter um Sie kümmern kann? Soll ich Ihrem Freund Bescheid sagen?«
Wenn Gregor hier wäre ⦠Das wäre so wunderbar â¦
»Frau Amelung? Hören Sie mich? Wenn Sie mir seine Nummer verraten, kann ich â¦Â«
»Ja ⦠ja ⦠einen Moment.« Schweià lief über meinen Rücken. Ich wusste Gregors Telefonnummer nicht mehr. Sie fing mit einer Acht an, da war ich sicher, aber die restlichen Ziffern purzelten wirr durch meinen Kopf. »Ich kriege sie nicht zusammen â¦Â«
»Bestimmt haben Sie sie eingespeichert. Ich hole mal das Telefon. Entspannen Sie sich.« Schon war sie aus dem Zimmer gegangen. Sie kam mit meinem Festnetztelefon zurück und tippte darauf herum. »Na bitte, da ist er doch, Gregor Behrendt â¦Â«
Sie spazierte auf und ab, entfernte sich bis zum Fenster. Ich hörte, wie sie etwas sagte, konnte ihren Worten aber nicht folgen. Plötzlich war ihre Stimme ganz nah.
»Er war nicht da, aber ich habe ihm aufs Band gesprochen.« Sie setzte sich auf die Kante des Sessels und fuhr sich mit der Hand über die Augen. »Na, das gefällt mir ganz und gar nicht. Mir wäre lieber, wenn jemand hier bei Ihnen wäre. Dieser Sebastian, Ihr Nachbar ⦠wo genau wohnt denn der?«
Wozu wollte sie das nun wissen? Ich schloss die Lider. »Gegenüber.«
Sie neigte den Kopf zur Seite. »Ein sympathischer Typ. Begabt. Und sieht auch noch gut aus.« Sie blickte an mir vorbei. »Finden Sie nicht auch?«, fragte sie nach einer Weile. Ich hatte vergessen, wovon sie gesprochen hatte. Ich konnte meine Gedanken nicht festhalten. Sie flatterten davon wie Nachtfalter.
»Bitte? Entschuldigen Sie â¦Â«
»Ihr Nachbar. Ich hatte das Gefühl, er flirtet mit Ihnen.«
Ich dachte an Sebastians E-Mail. Vanessa Ott hatte offenbar schon bei dem Konzert die richtigen Schlüsse gezogen.
»Soll ich mal nachsehen, ob er zu Hause ist? Er könnte sich um Sie kümmern.«
»Nein, lieber nicht.«
»Na gut ⦠Aber was ist mit Ihrer Freundin? Wie hieà sie noch? Ulla?«
Ich sah sie erstaunt an. Hatte sie sich wirklich Ullas Namen gemerkt? Verschwommen regte sich etwas in meinem Gedächtnis. Ulla hatte nicht zurückgerufen, obwohl ich ihr aufs Band gesprochen hatte. Sicher war sie restlos eingespannt in ihrem neuen Job.
»Ich kann es später selbst bei ihr versuchen«, sagte ich. »Wirklich, Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen, ich komme zurecht.« Ich setzte mich auf und griff nach dem Wasserglas. Ich fasste ins Leere, streifte aber etwas mit der Hand. Es gab einen Knall. Das Glas zersprang auf dem Boden. Das Zimmer begann sich um mich zu drehen, und ich lieà mich zurück ins Kissen sinken. Mir wurde übel. Ich atmete tief ein und aus.
Vanessa Ott schüttelte den Kopf. »Sehen Sie? Lassen Sie mich Ihre Freundin verständigen. Und sobald sie unterwegs ist, gehe ich. Sonst hab ich keine Ruhe im
Weitere Kostenlose Bücher