Die Beschützerin
dabei.«
Woher wusste Ulla davon? Dann fiel es mir ein. Vanessa hatte sich vorhin am Telefon bei Ulla bedankt. Wofür bedankt? Die Eintrittskarte. Sie hatte sie ja Ullas Absage zu verdanken gehabt. »Sie haben wirklich was verpasst â¦Â« , irgend so etwas hatte sie zu Ulla gesagt.
»Es tut mir leid. Ulla â¦Â«, ich wartete, bis sie mich ansah. »Du hast mir eingeschärft, einen Bogen um Vanessa Ott zu machen. Hast mir von diesem Todesfall in Hamburg erzählt. Was hätte ich sagen sollen? Schön, dass du dich um mich sorgst, aber ich verbringe gerade einen netten Abend mit ihr? Sie hatte sich selbst eingeladen mitzukommen. Ich kam aus der Nummer nicht raus, ohne sie zu beleidigen. In dem Moment am Telefon hatte ich Angst, du würdest mir das nicht glauben.«
»Und jetzt sitzt sie schon bei dir am Bett und hält Händchen.« Ulla schüttelte den Kopf.
»Ich war, ehrlich gesagt, sehr dankbar, dass sie mich nach Hause gebracht hat. Ich hab noch nie so schlimme Kopfschmerzen gehabt. Sie hätte dich nur nicht anrufen sollen. Sicher hattest du Termine.«
»Sag mal, hast du sie noch alle?« Nun war Ulla richtig wütend. »Du glaubst, mir seien meine Termine wichtiger, als mich um dich zu kümmern? Ich bin deine beste Freundin, schon vergessen? Nicht Vanessa Ott.«
»Das weià ich doch.«
Ich erzählte ihr von der Präsentation, von meinem Verdacht gegen Michaela, dem Verhalten der Kollegen.
Während sie zuhörte, wurde ihr Gesicht immer fassungsloser. »So ein Arsch«, knurrte sie, als ich beschrieb, wie von Hirten mich bloÃgestellt hatte. Als ich von dem Gespräch mit Vanessa Ott im Nice Place berichtete, zog sie die Augenbrauen zusammen.
»Du meinst wirklich, die ist auf deiner Seite?«
»Ich hoffe es«, sagte ich. »Was soll ich tun? Was würdest du in meiner Situation tun?«
Ulla schlug mit der Faust auf meine Sofalehne. »Ich hasse diese Geheimniskrämerei von diesen Typen. Diese Mauscheleien. Alles streng geheim! Es reicht, dass ich das beim Abendkurier erleben musste. Aber jetzt auch noch du.«
»Bist du noch sauer auf mich?«, fragte ich.
»Nein.« Ulla verzog den Mund. »Ich weià nicht, was ich dir raten soll. Du sagst, du kannst sie nicht auf Abstand halten. Das versteh ich nicht.«
»Sie überschreitet einfach die Grenzen. Setzt mich unter Druck. Und dazu sagt sie die ganze Zeit, dass sie nur mein Bestes will.« Ich zögerte. »Und es ist nicht ausgeschlossen, dass das stimmt.«
»Wenn du mich fragst, solltest du dieser Frau mal dringend eins vor den Koffer geben. Ständig fragst du: Müsste ich nicht, könnte ich nicht, sollte ich nicht? So bist du eben. Du willst immer das Gute in den Leuten sehen. Bis es dir das Genick bricht.«
Ich wusste nicht, was ich darauf sagen sollte. Aus Ullas Mund hörte sich das so leicht an. Aber wenn ich mit Vanessa Ott zusammen war, war es viel komplizierter.
Papa kommt früher aus dem Büro zurück, er ist blass und sagt, er habe sich den Magen verdorben. Dann steht er im Wohnzimmer, den Mund halb offen vor Staunen. Mama liegt auf dem Sofa, sie hat die Toastbrotscheiben zerrissen und überall hingeworfen. Eine ganze Packung voll. Dazwischen liegen leere Flaschen, die zerknüllte Zeitung und abgerolltes Klopapier. Sie ist wütend auf mich gewesen. Dabei wollte ich nur, dass sie etwas isst. Sie hat mich angeschrien, da bin ich auf mein Zimmer gegangen.
Ich bitte Papa um Verzeihung, dass ich nicht aufgeräumt habe, doch er hört gar nicht zu. Er packt mein Handgelenk, drückt zu, so fest, dass ich weine. » Warum machst du das, Janne? Ich verbiete es dir, hörst du? « Jetzt brüllt er. » Soll sie doch verrecken, wenn sie das will!« Er lässt mich los, geht auf meine Mutter zu. Ob sie ihn sieht? Ihre Augen sind dunkel und trüb. Ich bin schneller als er, hocke mich vor sie auf die Sofakante, strecke ihm abwehrend die Arme entgegen. » Lass sie! Ich mach doch gleich sauber. Bitte, Papa! « Er dreht sich weg, geht aus dem Zimmer. Ich kann sehen, dass er weint.
»Janne? Alles in Ordnung?«
Ich nickte, doch Ulla sah mich zweifelnd an. »Ich hab mir mal die Berichterstattung zu dem Hamburg-Fall aus dem Netz geholt. Die Tote, Katharina Schilling, hatte einen Verlobten. Er hielt es für ausgeschlossen, dass sie sich umgebracht hat. Sie hatten wohl in Kürze heiraten wollen. Er wurde
Weitere Kostenlose Bücher