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Die Beschützerin

Die Beschützerin

Titel: Die Beschützerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Kliem
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stellte den Motor aus. Vollkommene Stille umgab mich. Kein anderes Boot war zu sehen. Ich trank meinen Kaffee und aß dazu eine Scheibe weich gewordenes Knäckebrot aus einer Packung, die noch im Schrank an Bord gelegen hatte.
    Himmel und Meer verschmolzen in Grautönen. Ich fühlte mich wie in einen warmen, undurchdringlichen Kokon eingesponnen.
    Ich wählte die Nummer meiner Mutter. Es klingelte lange ins Leere, das Haus hatte zwei Etagen, dazu Speicher, Keller und Garten, wer weiß, wo sie steckte. In der Ferne hörte ich leises Grummeln. Aber nach Gewitter sah es nicht aus.
    Sie nahm ab. »Amelung?«
    Â»Hallo Mama, ich wollte mich mal melden. Wie geht es dir?«
    Â»Ist etwas passiert?«
    Â»Nein, nichts, ich …«
    Â»Warum rufst du dann an? Du rufst nie ›einfach so‹ an.«
    Das stimmte nicht, und das wusste sie genauso gut wie ich. Zweimal im Monat versuchte ich, Kontakt zu ihr aufzunehmen. Aber es hatte keinen Sinn zu widersprechen, es würde nur zu Streit führen.
    Â»Ich wollte nur hören, wie es dir geht.«
    Â»Wie soll es mir schon gehen? Allein in diesem Haus.«
    Die Diskussion darüber, warum sie das Haus nicht verkaufte und in eine kleine, gemütliche Wohnung zog, musste auch nicht zum tausendsten Mal geführt werden. Ich seufzte.
    Â»Wie kommst du denn zurecht? Was macht deine Hüfte?«
    Â»Ich bin fit. Zum Glück bin ich nicht auf Hilfe angewiesen. Es wäre ja auch niemand da.« Sie schwieg einen Moment, gab mir Zeit, mein schlechtes Gewissen zu entwickeln.
    Â»Wenn nur die Treppen nicht wären … Ich beiße halt die Zähne zusammen. Es geht schon. Mach dir keine Sorgen um mich. Du hast ja viel zu tun, so viel Stress, so viel im Kopf …«
    Â»Ich würde gerne bald kommen. Vielleicht mal an einem Wochenende?«
    Â»Na ja … das ist schwierig.«
    Ich unterdrückte ein Stöhnen. Lächelte stattdessen. »Wa-rum, Mama? Hast du was vor?«
    Â»Nein, nur … Dann müsste ich einen Rieseneinkauf machen. Ich hab nichts im Haus. Der Kühlschrank ist leer. Die Kocherei strengt mich an. Für mich allein stelle ich mich nicht mehr an den Herd. Mir reicht ein Butterbrot.«
    Â»Den Einkauf mache ich. Ich bringe uns was Leckeres mit, und wir kochen zusammen, okay?«
    Â»Ich weiß nicht … Wenn du meinst …«
    Ich schluckte. Sie durfte nicht an meiner Stimme merken, dass ich fast weinte. Ȇberleg es dir einfach, ja? Ich melde mich noch mal.«
    Â»Was ist denn los mit dir? Du klingst so anders als sonst.«
    Hatte sie das wirklich gefragt? Ich umklammerte das Handy. Sie hatte nachgefragt, sich für mich interessiert, ganz von allein!
    Ein Wortschwall wollte aus mir herausströmen. Wie gern hätte ich ihr erzählt, wie ich mich fühlte. Aber ich musste aufpassen. Durfte das kleine Zeichen von Interesse nicht ersticken, indem ich sie zu sehr belastete.
    Â»Janne? Bist du noch dran?«
    Â»Ja, ich … Mir geht es im Moment nicht so gut. Ich habe Ärger auf der Arbeit und …«
    Beinahe hätte ich Gregor erwähnt, aber bestimmt hatte sie vergessen, dass ich mich ihm zusammen war.
    Â»Mit meinem Freund läuft es auch nicht rund. Ich würde sagen, im Moment ist einfach der Wurm drin.«
    Â»Du denkst auch nur an deine Arbeit. Da muss sich ein Mann ja vernachlässigt fühlen. Als ich in deinem Alter war, hatte ich dich schon geboren. Als ich schwanger wurde, hab ich meine Stelle gekündigt und hab mich um den Haushalt gekümmert.« Sie holte zischend Luft. » Ich hab alles dafür getan, dass dein Vater ein perfektes Zuhause hatte, aber er … musste ja alles kaputtmachen.«
    Â»Er hat nichts kaputt gemacht, und das weißt du genau.«
    Tausend Volt oder mehr, blitzschnell wie ein Stromstoß lud sich das Schweigen zwischen uns auf. Es war ein Luftholen, eine Tür war plötzlich aufgestoßen, eine Mauer eingestürzt, eine Mauer der Lähmung in mir.
    Ich hatte es getan. Ich hatte ihr widersprochen.
    Â»Was willst du damit andeuten?« Ihre Stimme klang hohl.
    Â»Du hättest ihm verzeihen müssen. Aber du konntest es nicht. Du hast ihn und mich gequält. Aber vor allem dich selbst. Niemand ist schuld daran, wie unser Leben verlaufen ist. Wir haben doch alle das Beste versucht …« Die Stimme brach mir weg. Ich schluchzte, und das war das Letzte, was ich in diesem Moment wollte. Ihr meine Schwäche

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