Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Beschützerin

Die Beschützerin

Titel: Die Beschützerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Kliem
Vom Netzwerk:
zeigen. Ich hielt das Handy ein Stück von mir entfernt, damit sie mich nicht weinen hörte.
    Â»Janne …? Janne.«
    Es dauerte einen Moment, bis ihre Stimme aus dem Gerät zu mir drang, bis ich erkannte, dass sie nicht böse oder kalt klang, sondern ängstlich, besorgt.
    Â»Janne … was hast du denn nur … Hör auf, bitte hör auf zu weinen.«
    Von mir kam nur ein Flüstern. »Ich kann nicht mehr, Mama. Ich kann nicht mehr mit dir sprechen. Ich will nicht mehr.«
    Â»Nein. Lass mich nicht allein, Janne. Ich habe nur dich. Es tut mir alles so leid.«
    Ich hörte, was sie sagte. Aber ich konnte ihren Worten kaum glauben. Meine Mutter würde niemals sagen, dass ihr etwas leidtut. Sie hatte niemals eine Stimme gehabt, in der Wärme und gleichzeitig Verzweiflung lagen.
    Ich konnte nicht antworten, es war zu viel.
    Â»Janne? Wenn du wirklich herkommen willst … Also, ich würde mich freuen.« Sie wartete darauf, dass ich etwas sagte. »An einem der nächsten Wochenenden? Oder … ganz, wie du es schaffst … Ich bin ja hier.«
    Â»Ist gut, Mama. Ich komme bestimmt bald. Ich … rufe noch mal an.«
    Ich legte auf. Schloss die Augen. Meine Hand lag auf der Ruderpinne, sie ruckte leicht mit den Wellen hin und her. Das Ruder umlegen, eine neue Richtung einschlagen. Mein Leben musste sich ändern, das war mir noch nie so klar gewesen wie in diesem Moment. Es sollte ganz entschieden anders laufen.
    Ich öffnete die Augen, griff die Pinne fester. Aber es gab keinen Wind, nicht den leisesten Hauch, der mich vom Fleck bringen konnte.
    Ich legte mich auf die hölzerne Sitzbank und sah in den Himmel. Nach einer Weile kam leichter Wind auf, und das Boot drehte sich sacht im Kreis. Ich ließ mich treiben, und es gelang mir eine Weile, an nichts Konkretes zu denken. Nicht an meine Mutter, nicht an den ganzen Ärger, der mich erwartete. Solange ich hier war, auf dem Meer, allein mit meinem Boot und den Möwen, konnte ich mir vormachen, ich wäre beschützt. Doch bald musste ich zurück in mein Leben. Zurück nach Berlin. Ich sehnte mich nach Ruhe, aber die Ängste ließen sich nicht länger bannen, sie drängten mit Macht in mein Bewusstsein.
    Endlich versuchte ich es noch mal bei Michaela, doch wie am Abend hörte ich nur die Ansage. Ich ärgerte mich darüber. Das war nun der dritte Versuch gewesen. Was sollte das für ein Spiel werden? Zuerst weinte sie auf meinen Anrufbeantworter, und dann war sie nicht zu erreichen. Sie hätte längst zurückrufen können. Sonst checkte sie ihr Handy ja auch alle fünf Minuten. Ihren Festnetzanschluss hatte sie abgeschafft. Ich schob das Telefon in meine Hosentasche und legte mich wieder hin. Ob Gregor sich melden würde?
    Von Westen schoben sich dunklere Wolken heran. Der Wind war stärker und kühler geworden, doch ich war zu träge, um mein Sweatshirt überzuziehen. Ich lag da, das Schaukeln machte mich müde. Irgendwann flogen ein paar Möwen kreischend über mich hinweg. Ich schrak hoch, als dicke Regentropfen auf meinem Gesicht zerplatzten. Ich musste eingeschlafen sein. Wie lange hatte ich hier gelegen? Eine dünne Schicht aus hellweißen Wolken zog sich quer über den Horizont, darüber wölbte sich der Himmel schwarz. Ein Blitz zuckte grell. Ich lauschte auf den Donner, doch er folgte erst Sekunden später. Das Gewitter war noch nicht über mir. Ich startete den Motor, holte den Anker ein und fuhr schnell in Richtung Hafen. Der Regen ging in ein Prasseln über, nach wenigen Minuten war ich bis auf die Haut durchnässt. Blitze und Donner wechselten sich ab. Der Wind kam mir nun eisig vor, er blies in heftigen Böen. Ich fror. Kurz bevor ich meinen Liegeplatz erreichte, wurde der Regen so stark, dass Steg und Boote vor meinen Augen verschwammen. Eine Gewitterböe drückte mich fast gegen die gegenüberliegenden Schiffe. Wie sollte ich bei diesem Wetter allein anlegen? Ich gab mehr Gas und versuchte, mich meinem Steg im richtigen Winkel zu nähern. Da sah ich durch dichte Wasserschleier eine Gestalt direkt an meinem Platz stehen. Es war üblich unter den Seglern, sich gegenseitig beim Anlegen zu helfen, doch wer war bei diesem Sauwetter draußen unterwegs? Eine dunkle Regenjacke, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, genau so eine Jacke hatte auch … Es war Gregor. Ich warf eine Festmacherleine, er fing sie geschickt auf und

Weitere Kostenlose Bücher