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Die bessere Hälfte - warum nur Frauen die Wirtschaft nach vorn bringen

Die bessere Hälfte - warum nur Frauen die Wirtschaft nach vorn bringen

Titel: Die bessere Hälfte - warum nur Frauen die Wirtschaft nach vorn bringen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Campus
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selbstherrlichen und kurzsichtigen |63| Manager von Firmen, die deutlich einflussreicher als WorldCom oder Enron waren, die ganze Welt erneut erheblichen Risiken aus.
    Natürlich stellten sich die
Time
-Redakteure die rhetorische Frage, ob das Geschlecht irgendetwas mit dem Verhalten der fraglichen Personen zu tun habe und kamen zu dem Schluss, dass dies nicht der Fall war. Aber Sherron Watkins führte später aus, dass ihr Status als Frau in Wirklichkeit sehr viel mit ihrem Verhalten bei Enron zu tun gehabt hatte. Sie verwies auf die jährliche Simmons College Women’s Leadership Conference in Boston, die im Frühjahr 2003 stattgefunden hatte und beschrieb ihre Bemühungen, die Aufmerksamkeit des Enron CEO, Ken Lay, auf die Buchhaltungspraktiken zu lenken, die über kurz oder lang zum Konkurs des Unternehmens führen würden. 19
    Sie bemerkte, dass sie als Frau immer eine Außenseiterin in Enrons lärmender, männlicher Unternehmenskultur gewesen war, ein Umstand, von dem sie annahm, dass er ihre Perspektive erweiterte. Sie bemerkte auch, dass viele Männer, mit denen sie zusammenarbeitete, sehr gern Risiken eingingen. Sie prahlten sogar damit, den Ball ohne große Erfolgschancen ins gegnerische Feld gepasst zu haben und riesige Beträge auf Wetten gesetzt hätten, die bestenfalls als unsicher galten. Auch die Zahlenspielchen ihrer männlichen Kollegen betrachtete sie mit Skepsis: Es waren in ihren Augen nichts weiter als sinnlose Buchhaltungs-Kniffe, die lediglich auf dem Papier gut aussahen. »Zweckgesellschaften« mit Namen wie Raptor und Condor hielt sie für kindisch und für ein untrügliches Zeichen, dass ihre Kollegen Geschäft und Risiko lediglich als Spiel betrachteten.
    |64| Watkins gab zudem an, dass der unerbittliche, zermürbende Rhythmus ihrer Arbeit es ihr erleichterte, den kühnen (wenn auch letztlich aussichtslosen) Schritt zu wagen, ihren Boss vor möglichen Problemen zu warnen, denn das Arbeitstempo veranlasste sie, ihren Job in einem größeren Zusammenhang zu betrachten. Sie bemerkte, dass viele männliche Kollegen sämtliche Familienbelange an ihre Frauen abgegeben hatten; rund um die Uhr zu arbeiten, war ihnen eine Ehre und keineswegs ein Quell des Konflikts. Watkins war überzeugt, dass ihre eigene Verantwortung für ihre kleine Tochter sie erdete und ihr half, sich auf das zu konzentrieren, was im Leben tatsächlich wichtig war. Enron sicherte ihr Auskommen, aber nicht ihre Identität. Sie stand loyal zu ihrem Unternehmen, aber sie konnte sich ein Leben ohne Enron ebenfalls vorstellen.
    Bei ihrem Vortrag am Simmons College schuf Watkins auch die Verbindung zwischen der »Wer nicht wagt, der nicht gewinnt«-Mentalität, die das Enron der Jahrtausendwende prägte, und den Praktiken, die talentierte Frauen aus hochkarätigen Positionen vertrieb. Aus eigener Erfahrung konnte sie erläutern, warum Frauen in Führungspositionen ihren Jobs, die sie sich hart erkämpft hatten, häufig ambivalent gegenüberstanden. Sie wies darauf hin, dass ihre Position als Außenseiterin sie dazu prädestinierte, Firmenpraktiken auf eine Art und Weise infrage zu stellen, wie ein vollkommen integrierter Mitarbeiter es niemals gekonnt hätte. Und sie machte klar, dass die unterschiedlichen Verantwortungsbereiche am Arbeitsplatz und zu Hause ihr eine breitere und langfristigere Perspektive ermöglichten als männliche Kollegen sie |65| hatten, die ihre gesamte Aufmerksamkeit ausschließlich dem Job widmeten.
    Enron war ursprünglich ein Energiekonzern, der sich irgendwann auf den Finanzhandel konzentrierte. Als Spezialgebiet des Unternehmens kristallisierte sich bald die Entwicklung komplexer Händlermodelle heraus. Diese Geschichte kann man wunderbar als abschreckendes Beispiel verstehen. Der Energiesektor begann als klassisches, industrielles Geschäft, dessen Ziel es war, natürliche Ressourcen auszubeuten und zu transportieren. In den meisten Fällen verfahren derlei Unternehmen nach der Devise:
Wir holen heraus, was herauszuholen ist und dann machen wir, dass wir wegkommen!
    Enron handelte auch auf dem Finanzmarkt nach diesem Motto. Und ganz treu dem ursprünglichen Modell hinterließ es verbrannte Erde. Aber obwohl das Unternehmen zusammenbrach und abbrannte, blieb die Einstellung, der es den Weg gebahnt hatte, nicht nur bestehen, sondern konnte sogar blühen und gedeihen. Der dazugehörige Führungsstil fasste in vielen Banken und Versicherungsunternehmen Fuß, die später durch die Bankenkrise in die Knie

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